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Und der Knabe hat gesprochen:
„Reicher als heut am Altare

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Ward auch hier ein Kranz geflochten,

Und du wirst die Dornen tragen.

Als der Gärtner säte Rosen
In der Buße bittren Garten,
Fiel dein Körnlein in die Dornen,

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Und du kennst nicht deinen Namen.


Denn du heißest Rosadore,
Jene heißet Rosablanke,
Rosarosa, rote Rose,
Ihr seid aus demselben Stamme!

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Seid geschenkt der Mutter Gottes,

Als sie vor zwölfhundert Jahren
Auf der sündgen Erde wohnte;
Jetzt erst seid ihr aufgegangen.

Doch noch seid ihr kaum entsprossen!

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O erscheine, Herr des Gartens,

Hüte deine heilgen Rosen
Und zertritt die falsche Schlange!“ –

„O, Benone, mir zum Troste
Eile!“ nun die Kranke klaget,

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„Denn es wirft die Lebenssonne

Über mich schon lange Schatten!“

Und der Knabe spricht: „Zum Kloster
Gehe ich, ihn zu ermahnen;
Doch zuvor, o fromme Tochter,

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Muß ich deiner Treue danken.


Denn ich kann nicht wiederkommmen,
Eh erfüllet sind die Tage,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_213.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)