Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 215.jpg

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Aber nun vor diesen Nonnen
Öffne ruhig die Gewande,

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Zeige deines Herzens Rose,

Dieses Siegel deines Stammes!

Und es soll auch Rosadore,
Die man sonst Biondetten nannte,
An des eignen Busens Rose

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Wahr erkennen ihren Namen.


Heil sei dir und ewge Wonne,
Daß in Unschuld du gewandelt,
Wisse, daß dir stets zu folgen,
Mich mein eigen Heil ermahnte.

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Denn ich harre der drei Rosen

Länger als zwölfhundert Jahre.
Eine bist du, bald gebrochen,
Bald auch breche ich die andre!

Als der Heiland ward geboren,

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Hab ich auch das Licht empfangen,

Und ich gab ihm meine Rosen,
Da er spielte mit dem Lamme.

Und er gab mir eine Knospe
Aus den Gräsern seines Lagers,

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Hat dann liebvoll auch gesprochen:

‚Agnus castus sei dein Name!’

Und wo ich bis jetzt gewohnet,
Sät ich dieser Pflanze Samen,
Ehrt sie höher als Kleinode,

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Weil der Herr auf ihr geschlafen.


Agnus castus aller Orten
Heißt, wie ich, nun diese Pflanze.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_215.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)