Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 231.jpg

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Fühlst du jetzt dein Haus geordnet,
Deinen Herren zu empfangen,

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Speis ich mit dem Himmelsbrote

Dich zu diesem letzten Pfade.“ –

„Bis zum neuen Morgenrote
Harret noch“, spricht leis die Kranke,
„Einen Bissen weißen Brotes

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Aß ich heut von einer Armen,


Der durch dich, mein Jacopone,
Ward ihr kleines Feld erhalten
Gen den Anspruch eines Großen;
Sie bracht mir das Brot zum Danke,

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Bat: ‚O esse von dem Korne

Jetzt aus Liebe zu dem Manne,
Der gerettet mir den Boden,
Dem dies Brot für mich entwachsen!’

Aber hört, die elfte Glocke

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Schlägt! Noch eine Stunde harret;

Reicht indes zum letzten Troste
Mir des heilgen Öles Salbe!“

Doch nun klaget Jacopone,
Der bis jetzt in stummem Jammer

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Saß an ihrem Lager oben:

„Weh, o weh, ich muß dich lassen!

O dich, aller Jungfraun Krone,
Keusch und duldend gleich dem Lamme,
Das die Schuld hat hingenommen,

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Das für uns das Kreuz getragen,


Rosarose, heilge Sonne
Meiner irdisch trüben Tage,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_231.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)