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In den Kreis von Mond und Sonne,
Jubelnd an dem ersten Tage.

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Also sang das Blut, ergossen

Durch des neuen Menschen Adern,
Also sang der Mensch voll Wonne,
Da er zu der Welt erwachte.

Doch annoch viel höhern Tones

930
Wird das Lied der Selgen schallen,

Wenn sie aus dem Haus des Todes
Zu dem Antlitz Gottes wandeln.

Aber nun zieht mit dem Volke,
Betend bei dem Schein der Fackeln,

935
Nach dem Kloster hin Benone.

Einsam steht der Toten Lager.

Und es küßt ihr Rosadore
Tränenlos die bleiche Wange,
Grüßet scheidend Jacopone

940
Und verläßt ihn mit der Harfe.


Einsam sitzet Jacopone
Auf dem stummen Sterbelager,
In der Toten Demantkrone
Mit des Schmerzes Blick hinstarrend.

945
Keine Träne ihm entrollet;

Seine tiefe Trauer raget
Wie die Wüste öd und trocken
Auf, am Horizont verschmachtend,

Ohne Schatten, und die Sonne

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Selbst ein tiefer Feuerschatten,

Der sich wie ein weiter Bogen
Über seinen Scheitel lagert.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_240.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)