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Die Gedanken an dem Boden
Schleichend, in dem gleichen Sande,

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Alle Spuren von dem Odem

Heißen Sturmes stets verwaschen.

An dem Himmel keine Wolke,
An der Erde keine Pflanze,
Auch kein einzger kühler Tropfen

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In dem ungeheuren Plane.


Also sitzet Jacopone
In der Wüste seines Jammers,
In die helle Demantkrone
Der geliebten Leiche starrend.

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Aber auf die Schulter klopfet

Agnus castus ihm, der Knabe,
Reicht ihm einen Korb voll Rosen:
„Jacopone, jetzt erwache!

Kränz des Todes Braut mit Rosen;

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Sie sind aus demselben Garten,

Wo die Rosen ihr gebrochen
An dem ersten Hochzeitsabend.

Nimm ihr ab die Demantkrone,
Die du ihr hast heute abend

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In das Silberhaar geflochten;

Deiner letzten Pflicht gewarte!

Einst werd ich am rechten Orte
Wunderbare Dinge sagen;
Du wirst, die dir war verborgen,

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Deines Namens Schuld erfahren.“


Sprachs. – Da jener nahm die Rosen,
Schied er betend aus der Kammer:

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_241.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)