Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 258.jpg

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O, wie muß ich den beneiden,
Der den Stamm, des Sohn er ist,

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Kennt, daß er den Fluch der Leiden

Nicht in seinem Schuldbuch liest!

Einen Schuldgen suchend, reißen
Um das Schiff die Stürme sich;
Weh! ich kann mich des nicht preisen,

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Daß den Fluch nicht trage ich!


O Allmächtiger, o zeige,
Ob der Sünde ich entspring,
Daß ich zu der Flut mich neige
Und ein sühnend Opfer bring!“

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Also fleht er um ein Zeichen,

Und sein Flehen ihm gelingt:
Durch das tiefe nächtge Schweigen
Hell die Totenglocke klingt.

Und der Glocke Schall geleitet

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Zu Biondettens Wohnung ihn;

Wo der Baum die Schatten breitet,
Kniet er bei dem Altar hin.

„Herr! die Seele, die jetzt streitet,
Richt in deinem Zorne nicht;

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Herr! die Seele, die jetzt scheidet,

Sehe bald dein Angesicht!“

Und er höret an dem Zeichen,
Daß ein Weib gestorben ist,
Weil die Zahl der Glockenstreiche

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Zweimal unterbrochen ist.


„Jacopones frommem Weibe
Wohl das dunkle Auge bricht.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_258.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)