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Wollte untergehn die Erde,
Wollten auferstehn die Toten.

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Was hier klaget, muß vergehen,

Schmerz und Sünde sind des Todes,
Und die Leiden tun nur wehe,
Weil sie sterblich sind geboren.

Aber was da ewig stehet

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Sündenlos im Schaffen Gottes,

Kann sich nur in ihm bewegen,
Ist ein Freud- und Leidenloses.

Sieh, der göttliche Geselle,
Phosphoros, der Held des Morgens,

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Funkelt von des Himmels Schwelle

Ruhig in den Garten Kosmes.

Und im Morgenwind beweget
Träumen still des Gartens Rosen;
Doch die Hütte ist voll Elend,

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Und sie ist ein Haus der Sorgen.


Rosablanka sitzt in Tränen
An dem Bett des kranken Kosme,
Den ein leiser Schlummer decket,
Nur vom Seufzern unterbrochen.

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Und sein müdes Haupt erhebet

Nun der Alte zu der Tochter,
Spricht: „Mein Kind, jetzt mußt du gehen
Zu der Messe in das Kloster!“ –

„Vater, lasset hier mich beten

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Zum allgegenwärtgen Gotte,

Daß ich eurer Krankheit pflege;
Fern bin ich um euch in Sorgen!“ –

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_280.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)