Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 282.jpg

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Besser solltest du noch scheren,
Die dir übrig bleibt, die Wolle!’ –

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Dann hat er mich angesehen,

Wie der grimmige Herodes,
Als die Kindlein er zu töten
Seinen Knechten hat befohlen.

Und ich war recht in dem Herzen

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Von dem giftgen Blick durchbohret,

Bin, Marien anzuflehen,
Zur Kapelle dann geflohen.

Und am Wege sah ich stehen,
Den am Morgen bei den Rosen

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Ich ein Grab hatt graben sehen,

Da die Schlang emporgeschossen.

Aber er hat nicht geredet,
Winkte mit dem Finger drohend,
Griff mir nach der Hand behende,

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Nach Biondettens Ringlein golden.


Doch ich wollt es ihm nicht geben;
Da versank er in den Boden,
Und ich eilte zur Kapelle,
Sank ohnmächtig an den Boden.

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Und ich sah auch einen Engel

Jubelschreiend in den Wolken,
Er schwang sich wie eine Lerche
Jubilierend hin gen Morgen.

Vater, was ich da gesehen

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Klar, wie bei dem Licht der Sonne,

Hat mir ganz verwirrt die Seele;
Jetzt kann ichs nicht wiederholen.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_282.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)