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Eine Unschuld sondergleichen,
Ohne Hemdlein, nackt und bloß,

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Eben muß ich sie vergleichen,

Wie sie stieg aus Adams Schoß.

Fräulein, ich seh von dem Pfeile
Amors euer Herz durchbohrt!
Daß er euch die Wunde heile,

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Ihr den rechten Arzt erkort.


Alles ist nicht Gold, was gleißet;
Wenn der Herzensrose Gold
Eure Wunde gleich zerreißet,
Seid ihr drum nicht minder hold.“

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Apo spricht: „Laß deine Streiche!

Sage, wie du sie erhobst,
Welchen Geist der schönen Leiche
Du belebend unterschobst?“

Und der frechste aller Geister

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Spricht: „Ein Wort sagt ich ins Ohr;

Fiat heißts beim großen Meister,
Pfui heißts in unserm Chor.

Willig hat sie sich bezeiget,
Etwas blöde freilich noch;

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Was die Lippe jetzt verschweiget,

Pocht im Herzen laut und hoch.

Brechet erst dies züchtge Schweigen;
Durch des Treurings rotes Gold
Läßt sie sich vielleicht erweichen,

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Gibt den Schlüssel, den ihr wollt.


Die Kleinode laß erscheinen,
Gut erworben hier und dort;

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_342.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)