Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 363.jpg

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Und sie schweigen alle beide,
Jeder in dem eignen Jammer.

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Aber nun spricht Jacopone,

Denn er hört ein fernes Singen:
„Wo ist ihre Blumenkrone?
Ach, man will sie von mir bringen!

Wo sind Blumen ihr zum Kranze,

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Fromm und keusch, wie sie gewesen?

Erde, küß mit deinem Glanze
Nochmals, die von dir genesen!“

Und zu Pietro er sich wendet,
Spricht: „Hast Blumen du gebracht?

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Rosen, die zutag gesendet

Diese tränenvolle Nacht?

O, mein Pietro, die Verblühte,
Zier sie mit des Lebens Bild;
Daß der Schmerz nicht also wüte,

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Deck sie mit dem Blumenschild!“


Pietro mit dem Haupt verneinet,
Aber reden kann er nicht,
Und der Tränenlose weinet,
Als er sieht sein Angesicht.

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Jacopone ihn umarmet:

„O, mein Bruder! mich erquicket,
Daß mein Leid dich so erbarmet,
Und aus deinen Augen blicket.“

Aber jener ihm entgegnet:

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„Ach! es ist das deine nicht!

Dann wär wohl mein Los gesegnet,
Und es wär das meine nicht.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_363.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)