Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 364.jpg

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Blumen konnt ich dir nicht bringen,
Weil sie all wie Rosarose

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In dem Feuer untergingen,

Bis auf eine weiße Rose.“

Pietro wollte weiter reden,
Doch Melior und Rosablanke,
Welche zum Gemach eintreten,

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Werden seiner Rede Schranke.


Und er fühlt sich dumpf ergrimmet,
Wenn er zu Meliore blickt,
Denn in seinem Busen glimmet
Eifersucht, die ihn erstickt.

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An der Türe schüchtern weilet

Rosablanka. Zu ihr schreitet
Jacopone: „Jungfrau, eilet,
Daß Ihr mir den Kranz bereitet!“ –

„Herr, dies kann gar wohl geschehen,

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Ich hab Rosen, rot und weiße,

Und ich kann die Kränze drehen,
Doch fehlt mirs am Myrtenreise!“ –

„Keine Myrt in ihre Krone!
Einen jungfräulichen Kranz

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Winde ihr!“ – sprach Jacopone,

Blickend durch der Tränen Glanz.

Und sie naht der Leiche Füßen,
Aus dem Korbe, den sie trug,
Ihre Rosen auszugießen.

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Ach, wie ihr das Herz da schlug!


Sie mit Liebe zu begrüßen,
Fühlt sie einen innern Zug,

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_364.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)