Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 365.jpg

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Und sie soll doch, um zu büßen,
Folgen ihrem Leichenzug.

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Wie sie so die Tote schauet,

Wie sie so die Stille fühlet,
Mild ihr Aug von Tränen tauet
Und die heiße Wange kühlet.

Und sie nimmt die rote Rose,

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Fügt zu ihr der weißen Glanz,

Weiter eine gelbe Rose,
Und so fort den ganzen Kranz.

Bei den roten spricht sie immer:
„Rosarose, bitt für mich!“

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Bei der weißen Rosen Schimmer:

„Rosablank geleitet dich!“

Aber bei der gelben Rose
Muß sie an Biondetten denken,
Und dann traurig zu der Rose

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Ihre Blicke niedersenken.


Da sie nun den Kranz vollendet,
Sprach sie scheu zu Jacopone:
„Mich hat zu dir hergesendet
Heut der Beichtiger Benone.

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Meine Schulden abzubüßen,

Will er, daß ich im Geleite
Deines Weibs mit bloßen Füßen
Hinter ihrem Sarge schreite.

Und ich bitte dich zum Lohne,

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Daß du dieses mir gestattest,

Als den Preis der Blumenkrone,
Die du ohne mich nicht hattest.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_365.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)