Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz A 017.jpg

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Agnuskastus wollten dann, um die Eltern sicher zu machen, an ihrer Stelle sich in der Herberge niederlegen. Der Plan wird dadurch vereitelt, daß der Bräutigam, der, während sie ihr Nachtmahl bereiten, ankommt, sich als Beauftragter des Herodes herausstellt, der abgesandt war, den Knaben Jesus zu ermorden. Er zeigt zu seiner Legitimation den Siegelring Herodes’ vor. Dieser Bräutigam stahl aus dem Gepäck der Reisenden ein goldenes Kästchen, das die hl. drei Könige der Gottesmutter geschenkt hatten und in welchem diese ihren Trauring aufbewahrte. Lilith, welche ihren Plan nun gefährdet sah, und die Reisenden vor ihrem Bräutigam verleugnen muß, beredet den hl. Joseph, alsbald zu fliehen und bringt ihn mit den Seinen auf den Weg. Sie möchte der Mutter Gottes etwas schenken, hat aber nur einen Rosenstock von Jericho, der nicht blüht. In dem Moment, da sie ihn Maria schenken will, blühen drei Rosen an demselben, schwarz, (gelb) rot und weiß. Lilith weissagt der Gottesmutter ihre kommenden Leiden und diese sagt ihr: „Weil Dein Bräutigam mich bestohlen hat, wird Unglück über Euer Geschlecht kommen; es wird von demselben genommen, wenn drei Rosen lebendig geworden sein werden. Das durch den Diebstahl des Ringes verursachte Unheil wird behoben werden, wenn die drei Rosen sich zu einem Ringe vereinigt haben werden. Dann wirst Du in die ewige Seligkeit eingehen; der Same des Diebes aber wird hoffärtig und trostlos sein in alle Ewigkeit.“ Dem Knaben aber gab das Jesuskind beim Abschied einen Halm mit Samenkapsel der Pflanze Agnuskastus (Keuschlamm) aus dem Lager, auf dem es geruht, und sagt ihm, er werde nicht wachsen, aber einst, wenn das Geschlecht Liliths ausgestorben sei, den Ring der Mutter Gottes finden, wo er auch sei. Dann zog die hl. Familie weiter. Lilith mit ihrem Manne flieht aus dem Elternhause tief ins Land; Lilith nimmt ihre Rosen mit; sie leben bei den Pyramiden und erzeugen ein Geschlecht von Philosophen.

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Petrus-Verlag G.m.b.H., Trier 1912, Seite XVII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_A_017.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)