Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz A 031.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nun werden Böhmers Feststellung und Christians Nachprüfung anscheinend gestützt durch das Bekenntnis Rosarosas auf dem Sterbebette (Rom. 13 Str. 307):

Wisse, daß ich Deine Schwester,
Deinem Vater bin entsprossen.

wie die Handschriften übereinstimmend lauten. Rosarosa, die bis zu diesem Bekenntnisse über ihre und ihres Mannes Herkunft im Dunkeln war, nur wußte, daß sie beide Findelkinder seien, und daß nach Agnuskastus Mitteilung „am Bronnen“, sie mit ihrem Manne in keuscher Ehe leben müßte, faßte ihr Verhältnis zu ihrem Manne dahin auf, daß sie beide von demselben unbekannten Vater abstammten, und ging dabei nicht weit fehl, da ihres Mannes Vater ihr Großvater, also immerhin eine „Blutschuld“ drohend war.

Daß wir es bei diesem Irren Rosarosas nicht etwa mit einem Irrtum des Dichters zu tun haben, sondern daß dieses Irren von ihm mit Absicht – etwa um Rosarosas volle Unschuld und Unkenntnis und ihre Schwäche als Sterbende darzutun – eingeführt ist, ergibt sich aus einer Strophe der folgenden Romanze, wo er den mit Benone zurückgekehrten Agnuskastus zu dem über Rosarosas Enthüllung verzweifelnden Jacopone sagen läßt:

„Einst werd ich am rechten Orte
Wunderbare Dinge sagen;
Du wirst, die dir war verborgen,
Deines Namens Schuld erfahren“ –

also eine andere, als die von Rosarosa ihm enthüllte, wie er denn auch, als er Rosarosa auf dem Sterbebette nochmals erscheint, bei seinen Enthüllungen nicht erwähnt, daß sie und ihr Mann Geschwister seien, sondern nur allgemein von verhüteter Blutschuld spricht.

Nachdem nun einmal für Böhmer und Christian feststand, daß Jacopone ein Sohn Kosmes war, war die weitere Folgerung, daß auch Pietro und Meliore, die Brüder Jacopones, welches Verwandtschaftsverhältnis in den Romanzen

Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Petrus-Verlag G.m.b.H., Trier 1912, Seite XXXI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_A_031.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)