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Studentenschwärmerei für Marianne Jung, die spätere Suleika Goethes, an. Aber im wesentlichen müssen wir in dieser von Biondetta nicht erwiderten Liebe wohl des Dichters lange Zeit zurückgewiesene Leidenschaft zu Sophie Mereau, seiner späteren Gattin, erblicken. In der Romanze „Biondettens Hohes Lied“, in welcher Meliore im Zustande des Halbbewußtseins die Liebesraserei der Geliebten zu träumen scheint – wie der Dichter nach den Notizen ihn ja später das Erlebnis als Traum erzählen lassen wollte – haben wir den Ausdruck des Traumwunsches des Dichters zu sehen, daß ihm die leidenschaftlich Geliebte solche Seligkeit verschaffen möchte. Daß Meliore ein Dichter war, sagt Brentano selbst, indem er, wie Morris Einl. XXXXIX richtig hervorhebt, beinahe unter Durchbrechung der Schranken der Fabel, von Meliore sagt:

„Aber der ist unbesieget,
Der ein Dichter und ein Held,
Weil er in dem Himmel wieget
Seines Schmerzes gift’ge Welt.“

Dieses Heraustreten aus den Schranken der Fabel, dieses direkte Persönlichwerden des Dichters kommt stärker zum Ausdruck noch in den durchaus persönlich klingenden Strophen über die Wirkung der Beichte und am meisten in der prachtvollen Stelle, wo Brentano in der tränenlosen, versteinten Trauer Jacopones am Totenlager seiner Frau seinen eigenen Zustand nach dem Tode seiner Frau Sophie schildert (20, 68–80) und ganz persönlich hervortretend sagt:

Also wird ihm einst geschehen,
Den jetzt solche Schläge schlagen,
Daß er ganz versteint in Wesen.
Dies wollt ich zum Trost uns sagen.

Ist es nun ja recht begreiflich, daß Brentano sich in Meliore als den schäumenden, schwankenden, ziellos Lebenden schildert, der er selbst während der Periode der Dichtung war, so vermögen wir Michels nicht zu folgen, wenn er behauptet, der Dichter habe in der Figur des Kosme gleichzeitig sich selbst als alternden büßenden Brentano dargestellt. Brentano hatte

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Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Petrus-Verlag G.m.b.H., Trier 1912, Seite XXXV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_A_035.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)