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ja recht viel Phantasie; aber daß er in der Zeit zwischen 1803 und 1812 seine Lebensperiode nach 1817 vorausgeschildert, ja nur vorausgesehen habe, ist selbst dieser Phantasie etwas zu viel zugemutet. Selbst wenn’s mit der Phantasie allein gemacht wäre, stack Brentano doch in jener Epoche so tief im Strudel von ihn selbst fortreißender Leidenschaft und Produktivität, daß ihm der Gedanke, sich mit dem Büßer Kosme zu identifizieren, garnicht gekommen sein kann. Um sich selbst als Kosme zu schildern, hätte er damals schon ein Kosme sein müssen.

Daß der Dichter in Jacopone seinen Schwager Savigny, den großen Juristen, geschildert hat, ist wohl unzweifelhaft, auch ohne die deutlichen Bezugnahmen auf Savignys großes juristisches Werk. Dagegen aber, glaube ich, tut man Brentano Unrecht, wenn man ihm imputiert, er habe in Apo den Geheimrat Willemer, Mariannens Mann, geschildert oder gar diesen herzensguten alten Herrn in dem scheußlichen teuflischen Apo abkonterfeit. In dem bisher nicht publizierten Gedichtchen vom bösen Mann (Diel-Kreiten I, 102) wäre u. E. mehr nicht zu erblicken, als der Ausfluß nachträglich aufgestiegenen Ärgers über die Zerstörung einer Studentenschwärmerei, die ihm zeitlebens zwischen sich und Marianne Gegenstand lustiger Neckerei blieb, wie denn auch die an sie gerichtete Einleitung zum Gockelmärchen in seiner Überarbeitung nicht mehr ist, als ein versteckenspielendes Necken mit seiner „alten Liebe“. Daß er aber in Apo die ihm unendlich überdrüssigen damaligen Philosophen Schellingscher Richtung charakterisiert hat, das ergibt alles Apo in den Mund gelegte Philosophische so evident, daß es erübrigen mag, nachzuforschen, ob er an Hegel, Schelling oder Schlegel gedacht hat. Philosophie überhaupt war nicht Brentanos Sache. Seine Gabe der Intuition, die ihn den Dingen und dem Wesen der Dinge auf den Grund zu sehen, befähigte, seine „scharfsinnige Ungelehrtheit“, wie Jakob Grimm sagt, machte ihm die Philosophie zu höchst überflüssiger Gedankenquälerei und seine ihm eingeborene

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Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Petrus-Verlag G.m.b.H., Trier 1912, Seite XXXVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_A_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)