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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

der sollte schwerer Strafe gewärtig sein. Nun saßen noch spät abends bei Licht drei arme Mädchen und arbeiteten. Da sprach die erste: »ich wollte, ich kriegte des Königs Koch zum Mann,« die zweite: »ich wollte, ich kriegte dem König seinen Minister,« die dritte und jüngste aber sprach: »ich wollte, daß ich den König selber zum Mann kriegte«. Das hatte der König alles mit angehört, denn er stand hinter dem Fenster und horchte, und kam ihm so drollig vor, daß er beschloß, den drei Mädchen ihre Wünsche zu erfüllen.

Den Tag darauf ließ er die älteste zu sich rufen, die sich den Koch zum Manne gewünscht hatte und sprach zu ihr: »ich habe gestern deinen Wunsch vernommen und

weil du den Koch begehrt,
so bist des Koches werth«

und gab ihr den Koch zum Manne. Darauf ließ er die zweite vor sich kommen und sagte: »ich habe gestern deinen Wunsch vernommen und

weil du den Minister begehrt,
so bist du seiner auch werth«

und gab ihr seinen Minister zum Manne. Nachdem so mußte die dritte und jüngste Schwester vor ihn kommen, die ihn selber zum Manne gewünscht hatte, zu der sprach er auch: »ich habe gestern deinen Wunsch vernommen und

weil du meiner begehrt,
so bist du meiner auch werth«

und heirathete sie und machte sie zur Königin.

Über eine Zeit, so wurde die Königin schwanger; da fragte sie der König, wen sie denn am liebsten zu ihrer Pflege bei sich haben wollte. Da verlangte sie nach ihrer ältesten Schwester, die des Königs Koch zum Manne hatte. Die Königin brachte aber einen hübschen Knaben zur Welt, der trug an seiner Stirn einen goldenen Stern. Weil nun die älteste Schwester neidisch war, daß die jüngste den König zum Mann gekriegt hatte, sie selber aber nur des Königs Koch, so legte sie der Königin einen jungen Hund ins Bett, nahm das Kind, klebte ihm ein Pechpflaster auf die Stirn, daß der goldene Stern nicht zu sehen war und that es in einen Kasten; den Kasten mit dem Kinde setzte sie heimlich auf den Strom,[1] der dicht an des Königs Schloß vorbeifloß, und da trieben ihn die Wellen immer weiter hinab in das Land hinein. Der König, da er vernahm, daß seine Frau einen Hund geboren hätte, ward erst ganz zornig, aber doch, aus großer Liebe zu ihr, gab er sich zufrieden und war freundlich und gut mit ihr wie zuvor.

Zu derselben Zeit wohnte weiter den Strom hinab ein Gärtner, der hatte drei Kinder und dicht an dem Strom einen schönen Garten. Da nun einst die Kinder, wie sie immer thaten, in dem Garten dicht am Wasser ihre Spiele


  1. Eine Art Nilstrom, wie die Erzählerin bemerkte. W. B.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_060.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)