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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

30.

Friederike Büsching hat mir erzählt, daß mal ein Wucherer gewesen sei, der habe, als er krank geworden, sein Geld unter dem Kopfkissen verwahrt. Als nun seine Sterbestunde gekommen, befiel ihn eine fürchterliche Angst, so daß er dem viel Geld bot, der es wagen würde, die erste Nacht nach seinem Tode bei seinem Grabe zu wachen. Aber keiner wollte es thun, bis endlich ein ganz armer Mann kam, der versprach es. Als nun der Wucherer gestorben und begraben war, setzte sich der arme Mann an das Grab in einen Kreis, den er da gezogen hatte. Mit dem Schlage zwölf kam der Teufel, der hatte einen grünen Rock an. Er grub das Grab auf, nahm den Todten aus dem Sarge und zog ihm das Fell vom Kopfe; als er das gethan und nun die Leiche wieder einscharrte, zog der arme Mann das Kopffell leise in seinen Kreis. Als nun der Teufel die Haut nehmen wollte und sah, daß sie der Mann in den Kreis gezogen hatte, flog er in feuriger Gestalt durch die Luft davon. – Es wird nun erzählt, daß der Teufel die Kopfhaut aufpusten und eine Blase davon machen wollte, dann muß der Geist zwischen Himmel und Erde spuken gehen. So aber wurde sie dem Todten wieder in den Sarg gelegt daß er Ruhe hatte. –

Von einem andern Wucherer und einer armen Frau wird eine ähnliche Geschichte erzählt: der Mann wird in der Kirche unter dem Altar begraben; die Frau setzt sich in einen Kreis; um zwölf tritt eine Schaar schwarzer Männer herein, die ziehen ihn aus, um ihm das Fell abzuziehen; da rafft die Frau einen Strumpf in den Kreis. Dadurch verlieren die Geister ihre Macht über den Todten. Die Frau aber ist schwer erkrankt.


31.

In Steinhude soll einmal eine reiche, reiche Frau gewesen sein; als die zum Sterben kam, fragte sie den Pastor: ob er wohl glaubte, daß sie ihr Geld in jene Welt mitnehmen könnte und da auch reich und vornehm wäre? Da hat der Pastor gesagt: »Das wäre nicht möglich; sie sollte lieber an ihrer Seelen Seligkeit denken!« Darüber ist die Frau in großen Zorn gekommen, weil das Gold ihr Alles war, und sie hat geschrieen: »Scher dich aus meinem Hause, du Pfaff! Du lügst! Du lügst!« Sie hat dann ihren Dienern streng befohlen, ihr, wenn sie sterben sollte, das Gold mit in den Sarg zu geben. Das haben sie denn auch gethan und es ihr im Sarge unter den Kopf gelegt. Als nun am Morgen die Träger auf die Hausflur traten, den Sarg zu schliessen, saß da zu Häupten der todten Frau ein schwarzes Hündlein, das schöpfte aus einem Tiegel das geschmolzene Gold und goß es ihr mit einem Löffel in den Mund. Da haben die Leute rasch den Sargdeckel zugeklappt und die Leiche fortgetragen. Das Hündlein wird aber wohl der Teufel gewesen sein.

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_128.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)