Seite:Centralblatt der Bauverwaltung (IA centralblattderb5188unse).pdf/298

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Otto Sarrazin und Karl Schäfer (Red.): Centralblatt der Bauverwaltung

Kettenschiffahrt auf der oberen Donau.

Der Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieur-Vereins (1885 Seite 11) entnehmen wir einige Mittheilungen aus dem Vortrage des Ingenieurs J. Deutsch über die Einführung der Kettenschiffahrt auf der Donau oberhalb Wiens. Seit 1809 liegt eine Kette zwischen Pressburg und Wien auf etwa 60 km Stromlänge. Die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft hatte die Absicht, im Laufe der letzten Jahre die Donau auf der 301 km langen Strecke von Wien bis Passau, vielleicht sogar bis zu dem 59 km weiter stromaufwärts gelegenen bayrischen Umschlagsplatze Deggendorf mit einer Kette zu versehen. Thatsächlich wurde jedoch nur der 121 km lange untere Theil bis Pöchlarn verlegt, weil die längs des sogenannten „Struden“ bei Grein, einer 153 km oberhalb Wiens befindlichen felsigen Stromschnelle, ausgeführten Versuche zu dem Ergebniss geführt haben, dass der Kettenbetrieb ohne vorgängige gründliche Regulirung des Strombettes dort nicht anwendbar ist. Ueberhaupt hat sich gezeigt, dass für einen noch so mangelhaft ausgebauten Strom wie die obere Donau die Einführung der Kettenschleppschiffahrt mancherlei Schwierigkeiten findet, die sich in der Elbe, in der Seine u. s. w. nicht in so störender Weise bemerkbar machen. Bei beschränkter Flussbreite kann nämlich der Tauer[WS 1] mit der Kette durch eine seitliche Abschwenkung beide Ufer anlaufen. An überbreiten Strecken des Flusses, wie sich solche in der oberen Donau zahlreich finden, muss der Tauer dagegen am tieferen Ufer bleiben, sodass die für das flachere Ufer bestimmten Schleppkähne durch besondere, oft kostspielige Massnahmen dorthin geschafft werden müssen. Ein zweiter Nachtheil beruht in dem Wandern der stets nur in einer Richtung benutzten Kette. Das Wandern wird verursacht durch das mehrfache Umwinden um die Trommeln und durch die Mehrlänge, welche man der Kette im Gegensatze zur Mittellinie des Strombettes geben muss mit Rücksicht auf die verschiedenen Tiefen und die Krümmungen desselben. Die erstgenannte Ursache bewirkt, dass das um die Trommeln geschlungene Kettenstück nach dem Endpunkte der Fahrt verschoben wird; durch einen stromaufwärts fahrenden Tauer entsteht eine Vermehrung der Kettenlänge am oberen Ende, also ein Wandern nach oben. Die zweitgenannte Ursache veranlasst umgekehrt bei der Bergfahrt des Tauers ein Wandern nach unten, da die Mehrlänge aufgewunden werden muss und in der entgegengesetzten Richtung lose abrollt. Ferner geschieht das Wandern in seitlichem Sinne, wenn der Tauer von dem vorgeschriebenen Lauf nach dem rechten oder linken Ufer abweicht. Besonders nachtheilig ist das Wandern in der Längenrichtung an den Stellen mit stärkerem Stromgefälle, wo man ein stärkeres Kettenstück einzuschalten für nöthig gehalten hat. Dasselbe verschiebt sich von seinem ursprünglichen Orte nach unten und wird durch ein schwächeres, den vermehrten Widerständen nicht genügendes Kettenstück ersetzt. In Flüssen mit geringen Geschwindigkeiten, bei welchen auch zur Thalfahrt die Kette benutzt wird, gleicht sich die Verschiebung nach der einen und der anderen Richtung aus. In der sehr schnell strömenden oberen Donau ist jedoch eine Benutzung der Kette zur Thalfahrt so gut wie ausgeschlossen. Der Tauer muss nämlich, um steuerfähig zu bleiben, eine grössere Geschwindigkeit als die des Wassers selbst annehmen. Hierdurch entsteht eine geradezu gefährliche Schnelligkeit des Auf- und Abrollens der Kette, die ihrerseits heftige Stösse gegen das Schiffsgefäss des Tauers und unter Umständen sogar ein Anprallen der Schleppkähne an den Tauer zur Folge hat, falls derselbe durch ein zufälliges Hinderniss zum plötzlichen Anhalten gezwungen ist. Die durch das Wandern verursachten Nachtheile sind daher mit erheblichem Kostenaufwand wieder auszugleichen. Man trennt z. B. den über die Trommeln geschlungenen Kettentheil nach vollendeter Reise los und vereinigt ihn am unteren Ende wieder mit der versenkten Kette. Für die bis jetzt mit dem Tauerei-Schleppzuge noch nicht befahrbaren Stromschnellen des „Struden“ können nach Ansicht des Vortragenden die in Vorschlag gebrachten mechanischen Hülfsmittel nicht zum Ziele führen, sondern nur eine gründliche Regulirung. Näheres hierüber a. a. O.[WS 2]


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Tauer ist die Bezeichnung für Kettenschleppdampfer und Seilschleppschiffe
  2. a. a. O. Ist die Abkürzung für (am angeführten Orte)
Empfohlene Zitierweise:
Otto Sarrazin und Karl Schäfer (Red.): Centralblatt der Bauverwaltung. Ernst und Korn, Berlin 1885, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Centralblatt_der_Bauverwaltung_(IA_centralblattderb5188unse).pdf/298&oldid=- (Version vom 18.3.2021)