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Auf Bildern des Weltgerichts hat Christus als Richter häufig im rechten Auge einen Lilienstengel gegen die Seligen, im linken ein Schwert gegen die Verdammten gerichtet. So auf dem berühmten Bilde in Danzig, desgleichen auf dem des Roger von Brügge zu Beaume, auf dem Bilde hinter dem Altar im Ulmer Münster, auf einem im Schlosse Baldern (Kunstbl. 1847, S. 14). Auch auf einigen jüngsten Gerichten von A. Dürer. Vgl. Heller II. 2. 600. und 781. — Am Sakramentshäuschen des Ulmer Münsters kommen zwei Päpste vor mit Tiaren, die nicht in drei Kronen abgetheilt sind, sondern einen ganzen Wald von Lilien aufthürmen.

In einem Hymnus des heiligen Bonaventura wird die fromme Seele eine „Lilie des öden Thales“ genannt (Fortlage, christl. Gesänge S. 253), was ziemlich mit der Lilie unter den Dornen übereinstimmt. — Die Lilie, die im Chorstuhl des Klosters Corvey gefunden wird, wenn der gewöhnliche Inhaber des Stuhls sterben soll (Grimm, deutsche Sagen Nr. 263.), was sich in Hildesheim und Breslau wiederholt (Gödsche, Sagenschatz S. 23), bezieht sich nicht nur auf die jungfräuliche Reinheit des Klosterlebens, sondern ist wohl auch Sinnbild der Wiedergeburt. In südlichen Ländern blühen die Lilien schon im Frühling, daher die merkwürdige Darstellung auf einem altchristlichen Bilde in den römischen Katakomben, auf welchem in der Mitte Christus als guter Hirte steht, in den vier Ecken aber die Jahreszeiten allegorisch abgebildet sind. Hier ist nun der Frühling ein Knabe mit drei Lilien und einem Lämmchen, weil im Frühling die Lilien blühen und die Lämmer auf die Weide gehen. Aringhi I. 389. Bottari, tav. 48.

Die schöne Kelchform der Lilie dient auch häufig in der kirchlichen Ornamentik, bei den Abendmahlskelchen, bei Taufbecken, als Kanzel, z. B. zu Freiberg in Sachsen. Als Säulenknauf des idealen salomonischen Tempels, als Lichtträger im siebenarmigen Leuchter etc.

Die Lilien auf dem Felde, die nicht arbeiten, noch spinnen, und die doch von Gott gekleidet werden (Matth. 6, 28.

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_034.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)