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Das Ansehen dieses Heiligen war so gross, dass ihm allein unter denen, die nicht martyres, sondern nur confessores waren, eine Octave oder Festwoche gewidmet wurde. Durandi, rat. offic. VII. 37. Dieses Ansehen erklärt sich hinreichend aus dem wichtigen Einfluss, den er auf die Bekehrung Galliens und auf die Consolidirung der Kirche in Frankreich übte, wie denn auch die Hauptzüge in seiner eben mitgetheilten Legende die Hauptgegensätze des Christenthums und Heidenthums, der Kirche und des weltlichen Kaiserthums, der guten Werke und des menschlichen Elends, der wahren Heiligkeit und der Scheinheiligkeit betreffen, so dass Martin recht im Centro der kirchlichen Idee und des kirchlichen Lebens steht.


Sankt Martins Sommer nennt man in England einen schönen Spätherbst. Shakespeare, Heinrich VI. erster Theil, Act I, Scene 2. Le mal de St. Martin ist die Trunkenheit, weil man im Spätherbst den neuen Wein trinkt. Leroux, dict. comique s. v. Uebrigens unterscheidet man den Todestag des Heiligen, 11. November, als Martinus frigidus vom 4. Juli, seiner Ordination und Kirchweihe, der Martinus calidus heisst. Otte, Kunstarchäol. S. 136.

Es ist indess kein Zweifel, dass von Seiten der Neubekehrten viel Heidnisches in seinen Cultus aufgenommen wurde. Sein Fest im Spätherbst fällt mit einem ältern grossen Jahresfest der Heiden zusammen, an welchem der Abschied der guten Jahreszeit und der Beginn des Winters gefeiert wurde. In der griechischen Kirche beginnt von Martini an ein vierzigtägiges Fasten. Das Volk pflegt daher an diesem Tage noch einmal sich recht voll zu essen und zu trinken. In der abendländischen Kirche wurde nun zwar dieses Fasten aufgehoben, aber die Völlerei nichts desto weniger am Martinstage beibehalten, wahrscheinlich in Folge einer ältern heidnischen Gewohnheit, an diesem Tage zu schwelgen. Vgl. Strauss, Kirchenjahr S. 30. 377. Alt, christl. Cultus S. 527. Insbesondere ass man und isst man noch am Martinsabend die Martinsgänse (wie denn die Gänse um diese Zeit am

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_112.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2022)