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der Schöpfung aus der Erde gemacht worden seyn, die von derjenigen übrig blieb, aus welcher Gott den Adam bildete. Sie ist also eine Schwester oder Verwandte der Menschen. Nach einer andern muhamedanischen Sage entstand die Palme auf der Insel Ceylon, auf welche Adam aus dem himmlischen Paradiese heruntergefallen war, und zwar aus den Thränen, die Adam damals aus Reue vergoss. Sie ist also ein Kind des Menschen, den Menschen verwandt. Nach beiden Sagen unterscheidet sich die Palme hauptsächlich dadurch von andern Bäumen, dass sie mittelbar oder unmittelbar noch aus dem Paradiese stammt. Etwas Aehnliches findet sich nun auch in dem apokryphischen Evangelium von der Geburt Mariä und der Kindheit Jesu (20 und 21.) Hier heisst es: „Während einer Ruhe auf der Flucht nach Aegypten neigte sich ein hoher Palmbaum zum Christkind herab, um ihm seine Früchte darzubieten, und zugleich entsprang aus seiner Wurzel eine klare Quelle. Da befahl das Christkind aus Dankbarkeit einem Engel, einen Zweig dieser Palme in den Himmel zu tragen, und hier im Himmel wuchs aus demselben Zweige ein ungeheurer Baum, die Wonne aller Heiligen, die in den Himmel kommen.“ Also auch hier erscheint die Palme als einer höheren, idealen, himmlischen Vegetation zugehörig. Ob Raphael an jene Legende dachte, als er die Madonna unter einer Palme malte, steht dahin. Gewiss ist, dass Juden, Christen und Muhamedaner (wie die Buddhisten) in ihren Visionen vom Himmel immer vorzugsweise Palmen um die himmlischen Städte, in den himmlischen Gärten und an den himmlischen Bächen wachsen sahen.

In den Reden von Hellsehenden (Basel 1824. S. 18.) findet sich eine schöne Vision, die hieher gehört. Die Seherin erblickt eine unendliche Menge Palmen im Himmel, die alle bestimmt sind, noch als Siegeszeichen von sterblichen Menschen dereinst empfangen zu werden, und die Heiligen im Himmel fragen: Werden wir diese Menge von Palmen auch los werden? Unter dem Namen eines himmlischen Palmenhains (coeleste palmetum[WS 1]) erschien eine Sammlung schöner altkatholischer

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Berichtigung Band II. In der Vorlage: 'palmatum'
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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_183.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)