Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 321.jpg

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ist im Mittelalter zu einer sehr ausführlichen Legende ausgesponnen worden. Der heilige Brandanus schifft sich mit seinen Mönchen ein, um das Paradies zu erreichen, fährt um die ganze Erde und besteht eine Menge Gefahren, schaut eine Menge wunderbarer Dinge, in denen sinnbildlich der Weg des Christen durch’s Leben, der Weg der Kirche durch die Welt charakterisirt ist. Acta SS. Maji III. 602. Bearbeitet in einem altfranzösischen Gedicht. Vgl. Keller, altfranzösische Sagen II. 1. und als deutsches Volksbuch gedruckt, Basel 1491. In dieser Legende wird einmal das Schiff des Heiligen von unzähligen Teufeln bestürmt, die ringsum das Meer erfüllen.

Der kürzeste Auszug des Symbols ist auf Gräbern, altchristlichen Lampen, Ringen das Schiff mit dem Kreuz als Anker, auch das Schiff mit der Taube, ferner Christus auf einem Delphin (christliche Anwendung eines antiken Motivs). Vgl. Münter, Sinnbilder I. 99. Piper, christl. Myth. I. 218 f.

Auf christlichen Gräbern hat das Schiffsymbol den besondern Sinn eines glücklichen Hinüberschiffens in die Seligkeit. Schon die Alten glaubten, die Seelen der Verstorbenen würden von Charon auf einem Kahn über den Styx gefahren. Diese Vorstellung wurde im Christenthum um so mehr beibehalten, als noch der neue Begriff des Schiffs der Kirche hinzukam, in welchem man dem ewigen Verderben, wie in der Arche Noä der Sündfluth entgehen sollte. Daher in den Grabbildern der Katakomben zu Neapel, herausgegeben von Bellermann S. 31, Christus als Steuermann. Vgl. Boldetti p. 345. 360. 362. 372. Hier kommt namentlich auch die Taube als Sinnbild des heiligen Geistes auf dem Mast des Seelenschiffes vor. Walz im Kunstblatt 1840. Nr. 16. ist geneigt, bei diesem Schiffe auf Grabdenkmälern nur an die glückliche Ueberschiffung aus dem einen Leben in’s andere oder in den Hafen der Ruhe zu denken; allein offenbar haben die frommen Christen, die einander jenes Schiff auf das Grab setzten, darunter zunächst das Schiff der Kirche verstanden, in dem allein im Tode Rettung sey. Ganz verschieden von jenen Gräbersymbolen erscheint das von Teufeln besetzte

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_321.jpg&oldid=- (Version vom 11.1.2023)