Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 425.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

über die ganze Erde ist es nicht wahrscheinlich, dass nur eine lokale Ueberschwemmung gemeint sey. Die Bibel selbst sagt ausdrücklich, die Fluth habe fünfzehn Ellen hoch über den höchsten Bergen gestanden. Das war keine lokale Fluth. Mit Recht haben daher die Naturforscher an eine grosse Katastrophe gedacht. Whiston und Steffens dachten, freilich sehr willkührlich, an einen Kometen, der das Wasser der Erde an sich gezogen und dann zurückgeschnellt haben soll. Davon steht nichts in der heiligen Schrift und ist auch kein ähnliches Beispiel in der Naturgeschichte bekannt. Andere glaubten, die Erdachse habe sich plötzlich geändert und dem Meere einen ungeheuren Stoss gegeben, dass es über das Land hergefluthet sey. Weit sinniger ist die Vermuthung Hugi’s (über die Gletscher 1843. S. 202.) Derselbe nimmt an, die Ausdehnung und Zusammenziehung der Atmosphäre sey in einer früheren Bildungsperiode der Erde noch weit grösser gewesen, wie jetzt. Das Ausdünsten der Erde, die Wolkenbildung und dann der wässerige Niederschlag aus derselben sey viel gewaltsamer gewesen. Daher die Möglichkeit des völligen Untertauchens der Erde unter den vom Himmel strömenden Regen. Damit stimmt eine Erscheinung überein, die man an den kleinen Planeten Pallas und Ceres wahrgenommen hat. Diese haben nämlich eine Atmosphäre, die sich zuweilen in’s Ungeheure ausdehnt und dann wieder klein zusammenzieht. Stellt man sich darunter Wolken vor, so muss deren Entleerung in Regengüssen die Oberfläche der Planeten ganz unter Wasser setzen.

Jedenfalls sind grosse Fluthen über die Erde gegangen, sonst würden nicht so viele organische Reste früherer Erdperioden überschwemmt und begraben worden seyn. Deshalb ist die Erklärung v. Bohlens (Genesis 104) ganz unstatthaft, dass nämlich nicht einmal von einer lokalen ausserordentlichen Ueberschwemmung die Rede seyn könne, sondern dass die Vorstellung der Sündfluth wahrscheinlich nur von den jährlich sich wiederholenden Frühlingsüberschwemmungen herschreibe, die man in vergrössertem Maassstabe auf die Vorzeit übertragen

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_425.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2023)