Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 444.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die ihn willkommen hiessen im Jenseits. Aus dem Meer, wo ein Schiff versunken ist, erheben sich nach spanischem Volksglauben die seligen Seelen der Ertrunkenen als Tauben und fliegen zum Himmel. Clarus, span. Lit. I. 262.

Vögel auf einem Baume singend waren ein durch das ganze Mittelalter beliebtes Bild für die Seligen im Paradiese. Dasselbe Bild noch bestimmter ausgedrückt sind die auf dem Baum Peridiroion nistenden Tauben, die vollkommen sicher sind vor den umher lauernden Drachen, weil der blosse Schatten des Baumes diesen Drachen tödtlich ist. Nach Isidorus bei Conrad von Megenberg s. v.

In der Legende der heiligen Columba von Reate lernen wir dem Namen wie dem Wesen nach eine Taubenseele kennen, einen unschuldsvollen Engel unter den Teufeln, eine weisse Taube flatternd im Sturm der Welt. Diese berühmte Nonne von Perugia war geboren im Jahre 1467. Während sie getauft wurde, flog eine weisse Taube herbei, daher ihr Name. Schon als Kind fastete, betete sie, kasteite sich, hatte Visionen. Christus erschien ihr und ihm gelobte sie sich zur Braut. Als man sie zu einer andern Heirath zwingen wollte, wehrte sie sich standhaft und entfloh. Die Teufel verfolgten sie und erweckten rings um sie her Ungewitter, aber kein Blitz, kein Wind, kein Regentropfen berührte das fromme Mädchen. Freche Jünglinge überfielen sie und wollten ihr Gewalt anthun; als sie sie aber entblössten und unter ihrem Gewande ihren schönen jugendlichen Leib durch den Stachelgürtel und eiserne Ketten, die sie sich zur Fleischestödtung angelegt, zerfetzt fanden, wichen sie entsetzt von ihr. Endlich fand sie Ruhe in einem Kloster zu Perugia, wo sie viele Wunder that, Kranke heilte, mit Dämonen kämpfte und von Christo und den Heiligen besucht wurde. Ihre einzige Speise soll das heilige Abendmahl gewesen seyn. Der Zufall wollte, dass einmal der ruchlose Papst Alexander VI. nach Perugia kam, dem Columba in Demuth den Fuss küsste. Man denke sich den Contrast seiner Laster und ihre Unschuld. Columba

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 444. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_444.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2023)