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zu taufen, da er eher nöthig hätte, von ihm getauft zu werden. Aber Christus antwortete: „Es gebührt uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Das kann heissen: ich will mich wie alle andern Menschen unter das Gesetz stellen; oder: ich will die ganze Periode, in der das Gesetz herrschte, vollenden, um die neue Periode der Gnade einzuführen.

Als aber Jesus in’s Wasser gestiegen war und Johannes ihn taufte, schwebte der Geist Gottes über ihm in Gestalt einer Taube und eine Stimme aus der Höhe rief: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Indem aber der vom Vater gesendete Sohn bei der Taufe durch die Taube (den heiligen Geist) verkündet wurde, war dieses Erscheinungsfest zugleich die Offenbarung der heiligen Dreieinigkeit.

Nach Joh. 1, 29. sagte Johannes zu seinen Jüngern mit Bezug auf Christus: „Sehet, das ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt,“ womit er seinen hohen Messiasberuf am einfachsten bezeichnete. Bedeutsame Sinnbilder, die Taube und das Lamm. Wie nach der Sündfluth die Friedenstaube, so erscheint auch hier die Taube als Sinnbild der Gnade, nachdem die Schrecken der Gerechtigkeit erfüllt sind. Wie nach der langen Gefangenschaft in Aegypten das Opferlamm die Wallfahrt zum gelobten Lande verkündet, so hier wieder nach der Kerkerfinsterniss des Heidenthums und Judenthums weist das Lamm den Weg zum Himmel.

Auf Bildern der Taufe Christi ist entweder die Erscheinung der heiligen Dreieinigkeit oder die Beziehung auf die Erlösung der Menschen durch die Demuth und Erniedrigung des Heilands die Hauptsache. Im erstern Fall, besonders auf ältern Bildern, fehlt die Taube und wenigstens die Hand Gottes nie, wenn nicht der Himmel mit allen seinen Heerschaaren sich aufthut. Im letztern Fall tritt die himmlische Parthie mehr zurück und die menschliche in den Vordergrund. Das wird vornehmlich ausgedrückt durch das Sinnbild des Hirsches, der aus dem Jordan trinkt, während Christus von Johannes getauft wird. Der Hirsch bedeutet die nach dem christlichen Heil dürstende Menschheit. Vgl. den Artikel Hirsch.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_453.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)