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Volkslebens; die Teufelsangst, mit der die Reformation begann, das Zeichen vom Gegentheil.

Christliche Vorstellungen, die sich mit altheidnischen Erinnerungen an elbische Wesen und Zauberei berühren, sind die Wolf- und Fuchs-, die Kukuks- und Fliegen-, endlich auch die Rüben- und Wurzelgestalt des Teufels. Als Wolf bezeichnet der christliche Teufel den hungrigen Allverschlinger, wie in der nordischen Edda. Als Fuchs den arglistigen Weltbetrüger, wie im altdeutschen Reinecke. Als Kukuk den neckischen, foppenden Dämon. Als Fliege den unverschämten Belästiger. Als Alraun (Wurzelmännlein) das personificirte Miasma und Gift der Verwesung in der finstern Erde, das allem höhern Leben feindlich und verderblich ist, aber auch über alle Schätze im Innern der Erde gebietet.

Im Ulmer Münster ist an den Geländern der Treppe zum Sakramentshäuschen allerlei höllisches Gewürm angebracht, welches eidechsenartig daran auf- und abgleitet. Dazu auf der Schwelle des Sakramentshäuschens selbst ein Teufel, der sich zwischen zwei Löwen, die gleichsam hier als Wächter erscheinen, in höchster Angst windet und krümmt und nicht loskommen zu können scheint. Damit sind ohne Zweifel, wie mit den teuflischen Frazzen, die in andern Kirchen so oft unter Capitälen, Balken und sonst aus dem Versteck hervorlauschen, nur die bösen Gedanken gemeint, die den Menschen auch in der Kirche, mitten unter den heiligsten Eindrücken befallen. In der Legende des heiligen Macarius von Alexandrien kommen viel solche kleine, mehr insektenartige, als ungeheuerliche Teufel vor, die mitten in der Kirche während des Gottesdienstes sichtbar werden, den Lässigen böse Gedanken in’s Ohr flüstern, Andere schläfrig machen, einen Dritten zum Lachen reizen oder sonst in der Andacht stören.

Die Classification der Teufel ist ursprünglich keine andere, als die der Laster. Weil das Böse Gegenbild des Guten ist, so theilt sich der gefallene Urgeist Lucifer gegenüber der heiligen Dreieinigkeit in einer unheiligen Dreiheit und emanirt, gegenüber den sieben Geistern Gottes, in sieben unreinen

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_475.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)