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in Görres Volksbüchern S. 257. Philonis magiologia p. 411. Auf den Bildern ein gewöhnlicher Kirchhof, dessen Gräber sich aufthun und aus dem die Todten bald als Gerippe, bald schon mit Fleisch umkleidet, bald in vollendeter Lebensfülle hervorgehen. Viele Maler haben in der Abstufung der Verwesungsgrade und in der Treue der anatomischen Details ein Verdienst gesucht, welches dem eigentlichen Geist und Interesse des Gegenstandes fern liegt. Näher liegt demselben aber die Physiognomik, das Staunen, die Freude und der Schrecken der aus den Gräbern Aufwachenden. Hiebei haben die Maler darauf zu achten, dass der Richter gegenwärtig ist und dass die Ehrfurcht vor ihm alle Privatempfindungen der Auferstandenen beherrschen und zurückdrängen muss. Weder die Seligfrohen, noch die Verzweifelten dürfen sich geberden, als ob der Herr nicht dabei wäre. Auch Personalsatyre, Porträts von Gegnern etc. hier anzubringen, halten wir für nicht erlaubt und des grossen Gegenstandes für nicht würdig. Der Maler selber soll von Ehrfurcht gegen den Herrn durchdrungen seyn. Begreiflicherweise gehören auch unschickliche Nuditäten nicht in die Kirche. Die Naivetät des Mittelalters nahm es damit nicht zu genau, jedoch sind Freiheiten wie die in der Kathedrale zu Albi unter allen Umständen unstatthaft.

Richter beim Weltgericht ist nicht der Vater, sondern der Sohn. Joh. 5, 22. Vorbild des letzten Richteramts ist sein Austreiben der Verkäufer aus dem Tempel. Auf den Bildern, welche diese Scene darstellen, steht Christus mit der Geissel in der Mitte und hat rechts das Heiligthum des Tempels, links die Käufer, was dem Gegensatz von Himmel und Hölle auf den Bildern des Weltgerichts entspricht. Vorbild des Weltgerichts ist auch Psalm 110, 6. Mystisches Bild des richtenden Christus ist das thronende Lamm in der Apokalypse. Der das Opfer war, ist auch der Richter. Das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, in welchem Gottes Leben sich hingab in des Menschen Tod, auf dass es die Menschen fähig mache zum Antheil am göttlichen Leben,

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 556. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_556.jpg&oldid=- (Version vom 3.4.2023)