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bleibt eure Sünde.“ Joh. 9, 41. In diesem Sinne ist auch zu verstehen, dass kein Blinder den Andern führen kann, es fallen denn beide in die Grube, Matth. 15, 14. Nur Einer heilt von Blindheit, von dem schon der alte Prophet sagt: „Ich will die Blinden führen.“ Jesaias 42, 16.

Die Blindheit wird auch speziell vom Judenthum verstanden. In alten christlichen Bildern, besonders Miniaturen, kehrt oft ein Weib wieder, welches blind ist oder die Augen verbunden hat, und dessen Stab, Lanze oder Scepter zerbrochen ist. Das stellt die Synagoge oder das Judenthum vor im Gegensatz gegen die triumphirende christliche Kirche. Vgl. Waagen, Paris 345. Herrad von Landsberg von Engelhardt S. 40. Die Blindheit ist aber in viel weiterem Sinne auch Sinnbild des ganzen Erdenlebens, denn das wahre Schauen wird uns erst im Himmel beschieden. Daher die Heilung des Blinden durch Christus eine häufig sich wiederholende Darstellung auf den altchristlichen Gräbern in den Katakomben.

Die Blinden, welche Christus heilt, sind nur Vorbild der geistig Blinden, denen er das Licht gebracht. Die heilige Ottilie war von Geburt an blind, wurde aber sehend durch die Taufe, und das geistige Licht gab ihr zugleich das leibliche. St. Quintinus, Bekehrer von Amiens, wurde daselbst im Jahre 302 als Martyrer enthauptet. Fünfundfünfzig Jahre später wurden seine in der Somme unverwest erhaltenen Gebeine der blinden Eusebia von einem Engel gezeigt, die durch ihren Anblick wieder sehend wurde. Also fand eine Blinde, was kein Sehender bemerkt. Sigeb. Gembl. ad annum 964, 31. Okt. – Ein böhmisches Mädchen, blind und ohne Hände, wiegte unwissend das Christkind, das ihr die heilige Jungfrau brachte, wurde dadurch sehend und bekam auch die Hände wieder. Ida von Düringsfeld, böhmische Rosen S. 187. – Dass Blinde durch Heilige oder durch Berührung ihrer Reliquien geheilt werden, wiederholt sich unzähligemal.

Oft wählen Heilige eine freiwillige äussere Blindheit, weil sie zufrieden sind mit dem innern Geisteslichte. Die

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_136.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)