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sehr in’s Fleisch, die zweite führt den Geist[WS 1] zu sehr in’s Gespenstische. Raphaels Mantelgott ist viel zu unruhig. Er stösst die Elemente wie aus Zorn auseinander, er packt Sonne und Mond mit einer Art von Wuth mit hastig greifenden Händen, als wollte er sie in Verhaft nehmen. Da ist nirgends etwas von der Innigkeit und Ruhe des weisesten Schöpfers wahrzunehmen.

Gott steht zwar als der Ewige über aller Zeit und ist der Jüngste, wie der Aelteste; für unsere Auffassung aber kommt ihm alles Ehrwürdige des Alters wie der Macht zu. Daher wird er schon bei Daniel 7, 9. der Alte genannt. „Ich war, spricht der Herr, ehe denn der Tag war,“ Jesaias 43, 13. In seinem Zustande vor der Schöpfung scheint Gott der Vater durch die bläuliche Krystallkugel, die er häufig auf altdeutschen Bildern in der Hand hält (z. B. auf einem berühmten Bilde des van Eyck), bezeichnet zu werden. Ich vermuthe, diese Kugel bedeutet theils den Spiegel der göttlichen Contemplation, theils die noch unfertige Weltkugel im ersten Umriss.

Vor der Schöpfung der niedern Welt müssen wir uns Gott auch noch denken, wenn er ausschliesslich mit Engeln umgeben ist und noch weder Sohn, noch Geist, noch Heilige bei sich hat. Eine schöne Mantelfigur des dahinfliegenden Gottes, von unzähligen Kinderengeln umgeben, malte Melozzo da Forli schon im 14ten Jahrhundert. d’Agincourt, sculpt. pl. 142. Auch Fiesole malte Gott den Vater allein unter musicirenden Engeln. Das Bild befindet sich in der Münchner Pinakothek.

Gott Vater als heiterer Greis von Engeln umgeben auf einem Bilde von Perugino (Vasari II. 2. 373.), von Guido Reni im Quirinal (Beschreibung von Rom III. 2. 419.), von Schiavone zu Venedig. Viele kleine Engel umgeben den Vater auf einem Bilde von Pordenone (Vasari III. 2. 44.). Auf einem Hautrelief von Puget in Toulon schmiegen sich die Engel in den Mantel Gottes, Wessenberg, christliche

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Berichtigung Band II. In der Vorlage: 'das Fleisch'
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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_349.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2021)