Seite:Clavigo. Ein Trauerspiel (Goethe) 1774 - 068.jpg

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Clavigo. Laß mich weinen! (er wirft sich in einen Sessel)

Carlos. Weh dir, daß du eine Bahn betreten hast, die du nicht endigen wirst! Mit deinem Herzen, deinen Gesinnungen, die einen ruhigen Bürger glücklich machen würden, mußtest du den unseligen Hang nach Größe verbinden! Und was ist Größe, Clavigo? Sich in Rang und Ansehn über andre zu erheben? Glaub’ es nicht! Wenn dein Herz nicht größer ist, als anderer ihr’s; wenn du nicht im Stande bist, dich gelassen über Verhältnisse hinaus zu setzen, die einen gemeinen Menschen ängstigen würden, so bist du mit all deinen Bändern und Sternen, bist mit der Krone selbst nur ein gemeiner Mensch. Fasse dich, beruhige dich.

Clavigo. (richtet sich auf, sieht Carlos an, und reicht ihm die Hand, die Carlos mit Heftigkeit anfaßt)

Carlos. Auf, auf mein Freund! und entschließe dich. Sieh, ich will alles bey Seite setzen, ich will sagen, hie liegen zwey Vorschläge auf gleichen Schaalen, entweder du heurathest Marien, und findest dein Glück in einem stillen bürgerlichen Leben, in den ruhigen häuslichen Freuden; oder du führst auf der ehrenvollen Bahn deinen Lauf weiter nach dem nahen Ziele.

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Johann Wolfgang von Goethe: Clavigo. Ein Trauerspiel. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clavigo._Ein_Trauerspiel_(Goethe)_1774_-_068.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)