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Seite:Conversations-Blatt Kunstnachrichten aus Dresden 1822.djvu/1

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Kunstnachrichten aus Dresden.
An den Herausgeber.

Friedrich, der geniale Landschaftdichter, hat Kügelgen’s Wittwe ein tiefempfundnes Gemälde zum Andenken verehrt, das Denkmal ihres verklärten Gatten. Abendhimmels-Schein durch das Pfortengitter des Kirchhofs und über der Mauer, wehmüthig ernste Anordnung des Ganzen, durchsichtig zart entsproßne Bäume, die Gräber umher, wie sie sich wirklich von diesem Standpunct aus gruppiren, und über dem Bild des Todes, des Hinscheidens, der Verwesung den Stern der Hoffnung und der Liebe, ahnungsvoll hindeutend auf ein schönres Seyn.

Eine der seltsamsten und ansprechendsten Compositionen Friedrich’s erschien uns die des Eisbruchs im Meere, kühnes Farbenspiel, schöne Transparenz der phantastisch und chaotisch durcheinander geworfnen Massen, und Luft, wie sie nur Friedrich malt.

Philipp Veit’s Judith ist vor einigen Monaten bei ihrem kunstschützenden Besitzer, Herrn von Quandt, ungefährdet aus Rom angelangt. Dies Gemälde ist eine der würdigsten Zierden der Sammlung, die bereits so reich und gehaltvoll ist, daß sie einige Beschreibung verdiente. Die Judith ist schöner gedacht, als wir irgend eine aus älterer oder neuerer Zeit gesehn. Als Priesterin, welche der Gottheit das Opfer gebracht, steht sie in stiller Demuth und unbewußter Hoheit da, das Schwert über die Schulter gelehnt, das gewaltige Haupt, wo Todesblässe und Heldenschönheit in wunderbarem Einklang verschmolzen sind, in der Linken. Die Alte schaut sie fragend an: Bist du es, durch die dies vollbracht? Mir schaudert vor dir, denn durch ein Höheres in dir, als du, ist dies geschehen! Diese Worte stehen in dem entgeisterten Blick geschrieben. Drapperie, Anordnung, Stellung sind so großartig als edel und untadelhaft. Der linke Arm könnte etwas länger seyn, die Hände sind vortrefflich, und die Einzelnheiten alle im Entwurf kühn, sicher und zweckmäßig.

Daß Philipp Veit die Umrisse umschreibt, die Carnation schroff behandelt, als wäre das Bild schon nachgedunkelt, kurz, dies Bild mehr geschrieben, möchte man sagen, als gemalt, kann Referent nicht loben. Der Geist der allen Italiener und Deutschen entweicht gewiß nicht aus dem Bilde, in welchem die ganze Behandlung naturgemäß, sorgfältig und liebevoll ist, und auch nur eine Zeit dieser Art des Strebens gab es, die der frühsten Entwickelung. Die Bellini, Palma Vecchio, Giorgione, Francesco Framda, Pempino, Mantegna, die Van Dyk, Schoreel, Albrecht Dürer malten anders, Fleisch mußte Fleisch seyn, und das Wellenspiel der Schatten und Lichter auf der menschlichen Bildung in all seinen Harmonieen ist die lieblichste und tiefste der Erscheinung und einer der würdigsten Gegenstände des Studiums des denkenden Künstlers.

Ref. nennt heute aus Hrn. v. Quandt’s reicher Sammlung nur noch den Ottowalder Grund vom jungen Götzloff, der jetzt nach Italien abgegangen. Dies ganz herrliche, tadellose und überraschend liebliche Gemälde, aus der Natur gegriffen mit Kraft und Liebe, und festgehalten mit der innigsten Gluth des Strebens, verheißt uns in diesem jungen Mann den künftigen ersten Landschafter seiner Zeit. Hier ist Wahrheit, doch die lieblichste und gedankenreichste; nichts ist buchstabiert, nichts gepinselt, und selbst das kleinste Blümchen dieser Zauberflur steht in seiner holdesten Eigenthümlichkeit da, und dieser Sonnenblick, der den blumenreichen Rasen und einzelne Felsmassen, so wie die wehenden, schlanken Birken verklärt, leuchtet im Herzen wieder. Das selige Walten, Blühen und Grünen des eben erwähnten Frühlings durchströmt das Bild, und es wird einheimisch in des Beschauers Seele.

Ref. hat die Skizze zu diesem Gemälde gesehen, die mit eben den Reizen in der Anlage geschmückt ist. Hr. von Quandt besitzt noch einige vorzügliche Arbeiten dieses Künstlers, dessen gediegene Leistungen eine so reiche Zukunft verheißen.

Oechs aus Mietau, der treffliche Künstler, hält sich seit einiger Zeit hier auf. Sein eigentliches Geburtsland ist das herrliche Schwaben, doch ist er in Kurland einheimisch geworden. Alle seine Arbeiten sind von einer Vollendung, die durchaus mit nichts anderem dieser Art zu vergleichen ist. Auf großen Elfenbeinplatten und auf Pergament bringt er die volle Wirkung des Oelgemäldes mit Wasserfarben hervor. Der Grund ist ganz gedeckt, und die Behandlung so saftig, gesättigt und transparent zugleich, daß weder Isabey, noch Augustin, noch der nach dieser Vollendung ringende treffliche Miniaturmaler Saint sich in dieser Rücksicht neben Oechs stellen können. Oechs beschäftigt sich theils mit Bildniß, theils mit eignen Compositionen, theils auch mit Copieen nach alten Meistern. Zu seinen trefflichsten eignen Erfindungen gehört eine Sibylle, im Besitz des Hrn. K. Krankling aus Kurland,

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Unbekannt: Kunstnachrichten aus Dresden. Brockhaus, Leipzig 1822, Seite 485. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Conversations-Blatt_Kunstnachrichten_aus_Dresden_1822.djvu/1&oldid=- (Version vom 28.11.2024)