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Der Plan.

Der ganze Plan ist in seiner Grundform unendlich einfach, und muss es ja auch sein, wenn er von allen Menschen verstanden werden soll.

Man gebe uns die Souveränetät eines für unsere gerechten Volksbedürfnisse genügenden Stückes der Erdoberfläche, alles andere werden wir selbst besorgen.

Das Entstehen einer neuen Souveränetät ist nichts Lächerliches oder Unmögliches. Wir haben es doch in unseren Tagen miterlebt, bei Völkern, die nicht wie wir Mittelstandsvölker, sondern ärmere, ungebildete und darum schwächere Völker sind. Uns die Souveränetät zu verschaffen, sind die Regierungen der vom Antisemitismus heimgesuchten Länder lebhaft interessirt.

Es werden für die im Princip einfache, in der Durchführung complicirte Aufgabe zwei grosse Organe geschaffen: die Society of Jews und die Jewish Company.

Was die Society of Jews wissenschaftlich und politisch vorbereitet hat, führt die Jewish Company praktisch aus.

Die Jewish Company besorgt die Liquidirung aller Vermögensinteressen der abziehenden Juden und organisirt im neuen Lande den wirthschaftlichen Verkehr.

Den Abzug der Juden darf man sich, wie schon gesagt wurde, nicht als einen plötzlichen vorstellen. Er wird ein allmäliger sein und Jahrzehnte dauern. Zuerst werden die Aermsten gehen und das Land urbar machen. Sie werden nach einem von vornherein feststehenden Plane Strassen, Brücken, Bahnen bauen, Telegraphen errichten, Flüsse reguliren, und sich selbst ihre Heimstätten schaffen. Ihre Arbeit bringt den Verkehr, der Verkehr die Märkte, die Märkte locken neue Ansiedler heran. Denn jeder kommt freiwillig, auf eigene Kosten und Gefahr. Die Arbeit, die wir in die Erde versenken, steigert den Werth des Landes. Die Juden werden schnell einsehen, dass sich für ihre bisher gehasste und verachtete Unternehmungslust ein neues, dauerndes Gebiet erschlossen hat.

Will man heute ein Land gründen, darf man es nicht in der Weise machen, die vor tausend Jahren die einzig mögliche gewesen wäre. Es ist thöricht, auf alte Culturstufen zurückzukehren, wie es manche Zionisten möchten. Kämen wir beispielsweise in die Lage, ein Land von wilden Thieren zu säubern, würden wir es nicht in der Art der Europäer aus dem fünften Jahrhundert thun. Wir würden nicht einzeln mit Speer und Lanze gegen Bären ausziehen, sondern eine grosse fröhliche Jagd veranstalten, die Bestien zusammentreiben und eine Melinitbombe unter sie werfen.


Empfohlene Zitierweise:
Theodor Herzl: Der Judenstaat, Berlin und Wien 1896, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Herzl_Judenstaat_27.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)