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so wird er schon wieder apathisch, unwillfährig, besinnt sich, ob er einen Antrag annehmen soll, und fängt an, übertriebene Foderungen zu machen, deren Ausdruck öfter bis zur Grobheit geht. Der kleine Handwerker wird bei uns den Termin zur Ablieferung einer Arbeit selten einhalten und sich ungeheuer bezahlen lassen. Wenn daher Jemand in bedrängte Umstände geräth, so wird er hier nicht zunächst in sich Hülfsquellen aufsuchen, sich wieder eine bessere Lage zu schaffen, sondern er wird sich bedenken, wer ihm wol eine Unterstützung geben könne. Daß er sich in Verlegenheit befindet, reicht für ihn hin, die Voraussetzung zu machen, daß man ihm helfen müsse. Das Abwarten aber der Hülfe, die von außen kommen soll, der Zeitverlust, der dadurch entsteht, die niedergeschlagene Stimmung, welche sich durch die Einbildung nährt, daß Andere doch etwas thun müßten, verderben den Charakter. Es entsteht eine oft kolossale Passivität, die im Erdulden von Entbehrung oft eine negative Stärke entwickelt, welche sich nur positiv zu äußern brauchte, um sogleich diese ganze Summe von Elend unnütz zu machen. Dieser Richtung auf Unterstützung von außen her entspricht nun wirklich eine solche in Königsberg, dem Systeme des Nehmens eins des Gebens. Königsberg ist außerordentlich wohlthätig. Gewiß ist Alles buchstäblich wahr, was uns davon gesagt wird, wie himmlisch es sei, die Thräne eines nothleidenden Bruders zu stillen, den Hungernden zu speisen, den Durstigen zu tränken, den Entblößten zu kleiden. Aber das maßlose Wohlthun macht die Armuth zu einem organisirten Stande, oder richtiger, nicht die Armuth, denn diese erhält sich noch selbst, wenngleich mit Mühe und Entbehrungen, sondern die faule Dürftigkeit. Das ist das rechte Wort. Es ist der größte, längst anerkannte Misverstand, der Noth durch bloßes Geben abhelfen zu wollen. Momentan, in gewissen Fällen, muß dies geschehen, aber es darf nicht Princip werden, denn Noth ist auch die göttliche Mutter

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_145.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)