Seite:DE Stirner Schriften 204.jpg

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erblickt, so gilt ihm das eben für ein Zeichen, daß es gar nicht mehr überall so zugeht, wie es zugehen sollte: in seinem eignen Hause wenigstens soll ihm eine solche Zuchtlosigkeit nicht vorkommen. Er liebt seinen einzigen Sohn aufs innigste, sorgt für ihn auf alle Weise und gestattet ihm gern jedes „anständige“ Vergnügen, nur muß der Sohn den Vater auch allein sorgen und machen lassen, denn nur der Vater weiß ihm die besten, die zuträglichsten, die angemessensten Freuden auszusuchen. Die Jugend versteht sich nicht selbst auf Das, was ihr gut ist, und bringt bei ihrer „beschränkten Einsicht“ nur Unheil zu Wege; sie muß sich, damit sie den schönen Kreis der Ehrbarkeit nie überschreite, den väterlichen Anordnungen bescheiden überlassen, ohne jemals „in dünkelhaftem Uebermuthe sich ein Urtheil über dieselben anzumaßen“. So ungefähr denkt mein Hausherr, und man kann sich danach sein Erstaunen vorstellen, als eines Tages der Sohn mit der Bitte vor ihn trat, ihm, dem Mündigen, nun einen selbständigen Antheil am Geschäfte zu gewähren. Hätte er nicht, was er oftmals bitter beklagte, so manches Beispiel eines trotzigen Sohnes schon in seiner Nachbarschaft gesehen, gesehen, bis zu welcher Verhärtung Kinder in ihrer Halsstarrigkeit gehen können: er würde gewiß den eigenen Sohn über die vorlaute Zumuthung sehr barsch angelassen haben. So aber faßte er sich und erwiderte mit liebevollen Worten: Unser Geschäft, das kannst Du selbst einsehen, erfodert Einheit und Einen Willen: das muß so bleiben; aber weil Du jetzt doch ein erwachsener Mensch bist und Deinem Vater Ehre machen mußt, so will ich Dir ein gewisses Einkommen sichern, womit Du die Würde unsers Hauses behaupten kannst. Ich hoffe, daß Du nie durch Ueberhebung Dir dieses Geschenk und meine Liebe verscherzen wirst! Der gute Sohn zeigte sich aufs tiefste gerührt von dieser Güte und entsagte dem Anspruch auf eine eigne freie Stellung in der Welt: er hat bei dieser

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_204.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)