Seite:DE Stirner Schriften 247.jpg

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sterben und finden im Tode ihr eigentliches Selbst; mit ihnen stirbt die Reformations-Periode, das Zeitalter des Wissens. Ja, so ist es, das Wissen selbst muss sterben, um im Tode wieder aufzublühen als Wille; die Denk-, Glaubens- und Gewissensfreiheit, diese herrlichen Blumen dreier Jahrhunderte, werden in den Mutterschooss der Erde zurücksinken, damit eine neue Freiheit, die des Willens, von ihren edelsten Säften sich nähre. Das Wissen und seine Freiheit war das Ideal jener Zeit, das auf der Höhe der Philosophie endlich erreicht worden ist: hier wird der Heros sich selbst den Scheiterhaufen erbauen und sein ewiges Theil in den Olymp retten. Mit der Philosophie schliesst unsere Vergangenheit ab, und die Philosophen sind die Raphaele der Denk-Periode, an welchen das alte Prinzip in leuchtender Farbenpracht sich vollendet und durch Verjüngung aus einem zeitlichen ein ewiges wird. Wer hinfort das Wissen bewahren will, der wird es verlieren; wer es aber aufgibt, der wird es gewinnen. Die Philosophen allein sind berufen zu diesem Aufgeben und diesem Gewinste: sie stehen vor dem flammenden Feuer und müssen, wie der sterbende Heros, ihre irdische Hülle verbrennen, wenn der unvergängliche Geist frei werden soll.

So viel als möglich muss verständlicher gesprochen werden. Darin nämlich liegt noch immer der Fehler unserer Tage, dass das Wissen nicht vollendet und zur Durchsichtigkeit gebracht wird, dass es ein materielles und formelles, ein positives bleibt, ohne sich zum absoluten zu steigern, dass es uns befrachtet als eine Bürde. Aehnlich jenem Alten muss man Vergesslichkeit wünschen, muss aus der beseligenden Lethe trinken: sonst kommt man nicht zu sich. Alles Grosse muss zu sterben wissen und durch seinen Hintritt sich verklären; nur das Klägliche sammelt, gleich dem starrgliedrigen Reichskammergericht, Akten auf Akten und spielt Jahrtausende in zierlichen Porzellanfiguren, wie die unvergängliche Kinderei der Chinesen.