Seite:DE Stirner Schriften 252.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die Realisten dürfen sich des Vorzugs rühmen, dass sie nicht blosse Gelehrte erziehen, sondern verständige und brauchbare Bürger: ja ihr Grundsatz: „man lehre Alles mit Beziehung auf das praktische Leben“ könnte sogar als das Motto unserer Zeit gelten, wenn sie die wahre Praxis nur nicht in gemeinem Sinn auffassten. Die wahre Praxis ist aber nicht die, sich durch’s Leben durchzuarbeiten, und das Wissen ist mehr werth, als dass man es verbrauchen dürfte, um damit seine praktischen Zwecke zu erjagen. Vielmehr ist die höchste Praxis die, dass ein freier Mensch sich selbst offenbart, und das Wissen, das zu sterben weiss, ist die Freiheit, welche Leben gibt. „Das praktische Leben!“ Damit glaubt man sehr viel gesagt zu haben, und doch führen selbst die Tiere ein durchaus praktisches Leben, sobald die Mutter sie ihrer theoretischen Säuglingschaft entwöhnt hat, und suchen entweder nach Lust in Feld und Wald ihr Futter, oder werden ins Joch eines — Geschäftes eingespannt. Der thierseelenkundige Scheitlin würde den Vergleich noch viel weiter führen, bis in die Religion hinein, wie zu ersehen aus seiner „Thierseelenkunde“, einem gerade darum sehr belehrenden Buche, weil es das Thier dem civilisirten Menschen und den civilisirten Menschen dem Thiere so nahe rückt. Jene Intention, „fürs praktische Leben zu erziehen“, bringt nur Leute von Grundsätzen hervor, die nach Maximen handeln und denken, keine principiellen Menschen; legale Geister, nicht freie. Etwas ganz anderes aber sind Menschen, in denen die Totalität ihres Denkens und Handelns in steter Bewegung und Verjüngung wogt, und etwas anderes solche, die ihren Ueberzeugungen treu sind: die Ueberzeugungen selbst bleiben unerschüttert, pulsiren nicht als stets erneutes Arterienblut durch das Herz, erstarren gleichsam als feste Körper und sind, wenn auch erworben und nicht eingelernt, doch etwas Positives und gelten noch obenein als etwas Heiliges. So mag die realistische Erziehung