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Sendschreibens eine Gleichheit der Unterthanen, eine gleiche Unterthänigkeit. Einen geeigneten Ausdruck findet jener Unterschied auch darin, dass die im Sendschreiben verlangte „Nationalrepräsentation“ die „Wünsche“ der nivellirten Unterthanen vor den Thron bringen soll, während in Frankreich die Bürger mittelst ihrer Repräsentanten einen „Willen“, freilich nur einen Bürgerwillen, keinen freien, haben. Der „Unterthan“ darf mit Recht nur „wünschen.“

Zweitens will aber das Sendschreiben nicht blos die Gleichheit, es will auch die Freiheit Aller. Daher der Aufruf: „Sorget, dass Jeder,“ (mit diesem Worte wird die Gleichheit der Unterthanen ausgedrückt) „seine Kräfte frei in moralischer Richtung entwickeln könne.“ In moralischer Richtung? Was soll das heissen? Als Gegensatz kann die physische Richtung nicht gedacht werden, da das Sendschreiben ein „physisch und moralisch kräftigeres Geschlecht erzielen will.“ Auch die intellectuelle Richtung wollte man wohl schwerlich von der moralischen ausschliessen, da man die Wissenschaft ja möglichst begünstigte. Am einfachsten bleibt als Gegensatz der moralischen die unmoralische Richtung übrig. Unmoralisch ist aber ein Unterthan, wenn er aus dem Kreise seiner Unterthanen-Eigenschaften hinausgeht. Ein Unterthan, der im Staatsleben, in der Politik sich einen „Willen“ anmaasste, statt des „Wunsches“, der wäre offenbar unmoralisch; denn in der Unterthänigkeit besteht allein der moralische Werth des Unterthanen: im Gehorsam, nicht in der Selbstbestimmung. So scheint also die „moralische Richtung“ sich für unvereinbar mit der „spontanen Richtung“, der Richtung auf den freien Willen, auf Selbstständigkeit und Souverainetät des Willens zu erklären, und da das Wort „moralisch“ auf die Verpflichtung hindeutet, so wird man wohl eine Erweckung des Pflichtgefühls gewollt und diess unter „freier Kraftentwicklung“ verstanden haben. Ihr seid frei, wenn ihr eure Pflicht