Seite:DE Storm Auf dem Staatshof 39.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gegen den Weg kehrte, und als ich unvermerkt ihre harte Hand erfaßte, vermochte sie mich erst nicht zu erkennen. Bald aber trat ein Ausdruck der Freude in das alte Gesicht, und sie sagte: „Gott sei Dank, daß Du da bist, Marx! So eine treue Seele tut uns gerade noth!“

„Wo ist Anne Lene?“ fragte ich. Die Alte zeigte mit der Hand in’s Land hinaus und sagte bekümmert: „Da geht sie wieder in der Abendluft!“

Etwa auf dem halben Wege nach dem Hafdeiche, der hier nördlich von dem Hofe die Landschaft gegen das Meer hin abschließt, sah ich eine weibliche Gestalt über die Fennen gehen. „Setz nur den Kessel an’s Feuer, Wieb,“ sagte ich, „ich will sie holen, wir kommen bald zurück.“ – Nach einer Weile hatte ich Anne Lene erreicht. Als ich ihren Namen rief, stand sie still und wandte den Kopf nach mir zurück. Ich fühlte plötzlich, wie viel von ihrem Bilde in meiner Erinnerung erloschen sei. So lieblich hatte ich sie mir nicht gedacht; und doch war sie dieselbe noch; nur ihre Augen schienen dunkler geworden und die Linien des zarten Profils waren ein wenig schärfer gezogen als vor Jahren. Ich faßte ihre beiden

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Storm: Auf dem Staatshof. Braunschweig: George Westermann, 1891, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Storm_Auf_dem_Staatshof_39.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)