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Was er dann that vom Varus bis zum Rhein,

Iser’ und Seine sahn’s, es sahn’s, bezwungen,
Die Thale, die der Rhon’ ihr Wasser leihn.

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Wie er den Rubicon dann übersprungen,

Was er dann that, das war von solchem Flug,
Daß Zung’ und Feder nie sich nachgeschwungen.

64
Nach Spanien lenkt’ er dann den Siegerzug,

Dann nach Durazz’ und traf Pharsaliens Auen
So, daß man Leid am heißen Nile trug;

67
Sah wieder dann den Simois, die Gauen,

Von wo er kam, wo Hektor ruht und schwang
Sich auf dann, zu des Ptolemäus Grauen,

70
Worauf er blitzend hin zum Juba drang;

Dann sah man ihn die Flügel westwärts schlagen,
Wo ihm Pompejus’ Kriegstrommet’ erklang.

73
Was er mit dem that, der ihn dann getragen,[1]

Bellt Brutus, Cassius noch in ew’ger Noth,
Sagt Modena, Perugia noch mit Klagen.

76
Kleopatra beweint’s noch, die, bedroht

Von seinem Zorn, entfloh und an die Brüste
Die Schlange nahm zu schnellem, schwarzem Tod.

79
Mit diesem eilt’ er bis zur rothen Küste,

Mit diesem schloß er fest des Janus Thor,
Weil Fried’ und Ruh’ den ganzen Erdball küßte.

82
Doch was der Adler je gethan zuvor,

Und was noch drauf gethan dies hohe Zeichen,
Das Gott zur Herrschaft ird’schen Reichs erkor,

85
Muß dem gering erscheinen und erbleichen,

Der’s in der Hand des dritten Cäsar schaut[2]
Mit klarem Blick, dem Wahn und Irrthum weichen.

88
Denn die Gerechtigkeit, die jeden Laut[3]

Mir einhaucht, hat ihn, ihren Zorn zu rächen,
Der Hand deß, den ich dir benannt, vertraut.

91
Jetzt staun’ ob dessen, was ich werde sprechen:

  1. 73. Nach Cäsar trug Augustus den Adler und schlug die Mörder Cäsars, welche der Dichter in der Hölle (s. Ges. 34 V. 64 ff.) für diesen Mord büßen läßt.
  2. 86. Des dritten Cäsar, des Tiberius, unter dessen Regierung Christus gekreuzigt wurde.
  3. [432] 88–93. [Eine eigenthümliche Dialektik! Jesu Kreuzigung zur Versöhnung unserer Sünde war eine nothwendige Zulassung der göttl. Gerechtigkeit und deren Vollzug durch die ordentliche kaiserliche Obrigkeit läßt auch hierin wiederum das röm. Kaiserthum als Organ der Vorsehung Gottes erkennen.] Aber diese Rache war von Seiten der Juden ein neues Verbrechen, für welches Titus, Jerusalem zerstörend, Rache nahm. Im folgenden Gesange wird dies näher erläutert.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 431. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_431.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)