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Beatrix, die den Blick, den heil’gen, stillen,

Auf mich gewandt, wie erst, erlaubte mir
Durch theure Zustimmung, den Wunsch zu stillen.

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Ich sprach: „„O gnüge meiner Wißbegier,

Bewähr’ o Geist, den Fried’ und Lust durchdringen,
Daß, was ich denke, wiederstrahl’ in dir.““

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Das Licht, das ich aus seinem Innern singen

Vorher gehört, sprach, mir noch unbekannt,
Wie der, den’s freut, das Gute zu vollbringen:

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„Doch im verkehrten schnöden welschen Land,[1]

Zwischen der Brenta und der Piave Quelle
Und des Rialto meerumfloßnem Strand,

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Dort hat ein nied’rer Hügel seine Stelle;

Von ihm herab stürzt’ eine Fackel sich
Und macht’ in grausem Brand die Gegend helle.

31
Aus einer Wurzel sproßten Sie und Ich.

Ich, einst Cunizza, glänz’ in diesem Sterne,
Denn seines Schimmers Reiz besiegte mich.[2]

34
Und meines Schicksals Grund verzeih’ ich gerne[3]

Mir selber hier, da’s mir nicht bitter dünkt,
So schwer eu’r Pöbel dies auch fassen lerne.

37
Sieh diesen Glanz, der mir am nächsten blinkt[4]

In unserm Kreis, den leuchtenden, den theuern!


  1. 25 ff. Die Sprechende ist die Schwester des berüchtigten Tyrannen Ezzelino da Romano, den wir in der Hölle Ges. 12 V. 110 bis an das Stirnhaar im siedenden Blutstrom eingetaucht gefunden haben. In V. 26 u. 27 ist die Lage des Schlosses Romano bezeichnet. [Die Fackel ist Ezzelin. Bekannt ist, daß es seiner Mutter geträumt haben soll, sie werde eine brennende Fackel gebären.]
  2. [33. In allzuviele Liebesverhältnisse (auch mit Sordello. Fegf. 6, 58 ff.) nach einander verwickelt, war Cunizza im Uebrigen „fromm, barmherzig, mildthätig“ und linderte viel des Elends, das ihr scheußlicher Bruder anrichtete. Das Letztere mag für Dante der Hauptgrund gewesen sein, sie selig zu sprechen. – Wir erfahren also hier (und V. 96) zugleich, wer die Bewohner der Venus sind: fromme Seelen, welche, der erlaubten irdischen Liebe allzusehr ergeben, dadurch in christlicher Ascese und Vollkommenheit gehemmt wurden.]
  3. 34. Vgl. 103 ff. Die bereute und in der Lethe abgewaschene Schuld hört auf, ein Gegenstand der Betrübniß und des innern Vorwurfs zu sein [ein ächt christlicher Gedanke.]
  4. 37. Cunizza weist hin auf den Folco von Marseille, einen berühmten provenzalischen Liebesdichter, welchem sie lang dauernden [448] Ruhm voraussagt. [Späterhin wurde er Mönch und Bischof von Toulouse. Daher wohl die Seligsprechung desselben hier, welche sonst auffallend wäre!]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_447.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)