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So feurig, daß die Augen mir vergingen

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Und selig lächelnd fuhr Beatrix fort:

„Der du geschrieben hast, erlauchtes Leben,[1]
Was gut sei, komm’ allein von diesem Ort,

31
O laß dein Wort die Hoffnung hier erheben;

Du stellst ja, wie du weißt, so oft sie vor,[2]
Als Jesus sich den Dreien kund gegeben.“

34
„Du, fasse Muth – das Antlitz heb’ empor![3]

An unserm Strahl muß reifen der Beglückte,
Der von der Erde kommt zum sel’gen Chor.“

37
Als so das zweite Feuer mich erquickte,

Hob ich die Augen zu den Bergen auf,[4]
Vor deren Last ich erst das Antlitz bückte.

40
„Läßt unsers Kaisers Gnade deinen Lauf,[5]

Bevor du stirbst, zu seinem Hofe gehen,


  1. 29. 30. Im Orig.: Erlauchtes Leben, durch welches die Freude (oder auch, nach einer Variante, der Ueberfluß, der Reichthum) unsers königlichen Palastes (oder auch unsers Haupttempels) beschrieben worden ist: – Nach beiden Lesarten wird wohl in der Uebersetzung der Gedanke, seinem Wesen nach, ausgedrückt sein. Die Stelle bezieht sich nach den Auslegern auf die Ep. Jacobi Kap. 1, V. 5: „So aber Jemand unter euch der Weisheit ermangelt, der bitte von Gott, der da giebt einfältiglich Jedermann, und rückt es Niemandem auf.“ – Noch bezeichnender scheint dem Uebersetzer V. 17: „Alle gute Gabe, und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung, noch Wechsel des Lichts und der Finsterniß.“
  2. [32 ff. Jesus hat öfters die drei Jünger, Petrus, Jacobus und Johannes, dessen Bruder, als besondere Vertraute mit sich genommen. Darauf gründete das MA. eine besondere, geheimnißvolle Bedeutung derselben, nämlich die persönliche Repräsentation der drei theolog. Tugenden, wobei den Petrus der Glaube, den Johannes die Liebe traf und dem Jacobus, ohne ersichtlichen Grund, die Hoffnung übrig blieb. Ueberdies verwechselt, d. h. identifizirt nun aber D. im ganzen Gesang diesen Jacobus den Aelteren mit dem Verfasser des Briefs. Vgl. V. 39. 76 ff.]
  3. 34–36. Worte des Jacobus.
  4. [38 ff. Zu den Bergen. Nach Psalm 121, 1. – Zuerst geblendet, stärkt er sich jetzt, reift an ihrem Anblick, wie es V. 35 gefordert worden.]
  5. 40. Der mittelalterlichen Sitte folgend, vergleicht D. um so lieber Gott und die Seligen mit einem Fürstenhof, als er darin, wie wir wissen, das Urbild der irdischen Weltmonarchie findet.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_550.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)