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Einst von hier oben fiel, dort unten lacht.“

28
Wie früh und Abends sich die Wolken malen,

Die grad’ der Sonne gegenüberstehn,
So sah ich jetzt den ganzen Himmel strahlen.

31
Wie wir ein ehrbar Weib sich wandeln sehn,[1]

Das, sicher seiner selbst, nichts zu verschulden,
Nur hörend, schüchtern wird durch fremd Vergehen:

34
So meiner Herrin Angesicht voll Hulden;[2]

Und so verfinstert, glaub’ ich, wie Sie dort,
War einst der Himmel bei der Allmacht Dulden.

37
Er aber fuhr in seiner Rede fort,

Und wie verwandelt war der heitre Schimmer,
So war verwandelt auch das heil’ge Wort:

40
„Die Braut des Herrn hat zu dem Zwecke nimmer[3]

Mein Blut, des Lin und Cletus Blut, genährt,
Daß man durch sie erwerbe Gold und Flimmer,

43
Nein, dieses frohe Sein, das ewig währt,

Dem hat des Sixt und Pius Blut gegolten,
Dies hat Calixt, dies hat Urban begehrt.

46
Das war’s nicht, was wir von den Folgern wollten,[4]

Daß sie um sich das Christenvolk getrennt
Zur Rechten und zur Linken setzen sollten.

49
Nicht sollten jene Schlüssel, mir vergönnt,

Als Kriegeszeichen in den Fahnen stehen,
Womit man gegen Mitgetaufte rennt.


  1. 31. Eine sehr schöne Vergleichung. Nicht die Religion ist Schuld daran, daß die Kirche verdorben ist. Aber sie erröthet hier, wie ein Unschuldiger über fremdes Vergehen erröthet.
  2. [34–39. Das Erröthen bei Beatrix geht in finsteren Unmuth über. Ebenso bei Petrus. Und zwar betont D. dies gegen früher überhaupt, nicht gegen V. 13 ff., wo es ja schon so war.]
  3. 40. Die Braut des Herrn, die Kirche. Die in den Versen 41, 44 und 45 benannten sind Päpste, welche den Märtyrertod starben [oder gestorben sein sollen].
  4. 46–48. Die Guten von den Bösen zu sondern, hat, wie Matth. Kap. 25 V. 33 schreibt, der Sohn Gottes beim Weltgerichte sich vorbehalten. Aber diese Gewalt ist nicht dem Papste verliehen, der sich besonders auch in den Parteiungen der Guelfen und Ghibellinen die Stelle des Weltrichters anmaßt.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 563. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_563.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)