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Arten von wilden Enten. Brehm theilt eine merkwürdige Erzählung von der instinctiven Furcht mit, welche seine Affen vor Schlangen zeigten; ihre Neugierde war aber so gross, dass sie sich nicht enthalten konnten, gelegentlich ihre Neugierde in einer äusserst menschlichen Art und Weise zu befriedigen, dadurch, dass sie den Deckel des Kastens, in dem die Schlangen gehalten wurden, aufhoben. Mich frappirte diese Erzählung so, dass ich eine ausgestopfte und zusammengerollte Schlange in das Affenhaus im zoologischen Garten mitnahm, und die dadurch verursachte Aufregung war eines der merkwürdigsten Schauspiele, was ich jemals zu Gesicht bekommen habe. Drei Arten von Cercopithecus waren am meisten beunruhigt, sie flogen in ihrem Käfig herum und stiessen scharfe Warnungsrufe aus, welche von den anderen Affen verstanden wurden. Nur wenige junge Affen und ein alter Anubis-Pavian nahmen von der Schlange keine Notiz. Ich legte dann das ausgestopfte Exemplar in einem der grösseren Behälter auf den Boden. Nach einiger Zeit hatten sich alle Affen rings um dasselbe in weitem Kreise versammelt und boten, dasselbe anstierend, einen äusserst lächerlichen Anblick dar. Sie wurden äusserst nervös, und als z. B. eine hölzerne Kugel, welche ein ihnen vollständig vertrautes Spielzeug war, zufällig im Stroh, unter dem sie theilweise verhüllt war, bewegt wurde, stoben sie sofort auseinander. Diese Affen benahmen sich sehr verschieden, wenn ein todter Fisch, eine Maus[1] oder irgend andere neue Gegenstände in ihre Käfige gebracht wurden. Denn obwohl sie zuerst erschreckt waren, näherten sie sich doch bald, nahmen dieselben in die Hände und untersuchten sie. Ich brachte dann eine lebendige Schlange in einem Papiersack, dessen Oeffnung lose verschlossen war, in einen der grösseren Behälter. Einer der Affen näherte sich sofort, öffnete vorsichtig den Sack ein wenig, guckte hinein und prallte sofort zurück. Dann beobachtete ich, was Brehm beschrieben hat; denn einer von den Affen nach dem anderen, mit hocherhobenem und auf die Seite gewandtem Kopf, konnte der Versuchung nicht widerstehen, von Zeit zu Zeit in den aufrechtstehenden Sack und auf den schreckenerregenden Gegenstand, der ruhig auf seinem Boden lag, einen flüchtigen Blick zu werfen. Es möchte fast scheinen, als wenn die Affen irgend eine Vorstellung von zoologischer Verwandtschaft hätten, denn diejenigen, welche Brehm hielt, zeigten eine merkwürdige und doch nicht miszudeutende


  1. Ich habe eine kurze Schilderung ihres Benehmens bei dieser Gelegenheit in meinem: Ausdruck der Gemüthsbewegungen gegeben. 2. Aufl. 1874. S. 144.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/107&oldid=- (Version vom 31.7.2018)