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wüssten sie, dass eine Vertiefung in dem Boden ihnen die beste Chance Wasser zu finden darböte; Houzeau hat dasselbe Benehmen auch bei andern Thieren beobachtet.

Ich habe es gesehen, – und ich bin überzeugt, andre auch, – dass, wenn irgend ein kleiner Gegenstand vor einen der Elefanten im zoologischen Garten auf den Boden geworfen wird, zu weit für ihn um ihn zu erreichen, er dann mit seinem Rüssel jenseits des Gegenstandes auf den Boden bläst, um durch den, dort von allen Seiten reflectirten Luftstrom den Gegenstand in seinen Bereich treiben zu lassen. Ferner theilt mir ein bekannter Ethnolog, Herr Westropp, mit, dass er in Wien beobachtet habe, wie ein Bär mit seiner Pfote in dicht an seinem Käfig stehendem Wasser eine Strömung zu erregen suchte, um ein Stückchen auf dem Wasser schwimmenden Brodes in seinen Bereich zu bringen. Diese Handlungen des Elefanten und Bären können kaum dem Instinct oder vererbter Gewohnheit zugeschrieben werden, da sie für die Thiere im Naturzustände nur von wenig Nutzen sein würden. Was ist nun der Unterschied zwischen solchen Handlungen, wenn sie ein uncultivirter Mensch ausführt, und wenn sie eines der höheren Thiere verrichtet?

Der Wilde und der Hund haben oft an niedrigen Stellen Wasser gefunden und das Zusammentreffen unter solchen Umständen wurde in ihrem Geiste associirt. Ein cultivirter Mensch würde vielleicht irgend einen allgemeinen Satz über die Sache aufstellen; nach allem aber, was wir von Wilden wissen, ist es äusserst zweifelhaft, ob sie dies thun, und ein Hund thut es sicherlich nicht. Ein Wilder aber wird ebenso wie ein Hund in derselben Weise suchen, aber auch häufig enttäuscht werden; und bei beiden scheint es in gleicher Weise eine Handlung des Verstandes zu sein, mag nun irgend ein allgemeiner Satz über den Gegenstand bewusstermassen dem Geiste vorgestellt werden oder nicht.[1] Dasselbe wird auch für den Elefanten und für den Bären gelten, welche Strömungen in der Luft oder im Wasser erzeugen. Der Wilde würde sicherlich weder wissen noch sich darum kümmern, nach welchen Gesetzen die gewünschten Bewegungen hervorgebracht werden; und doch


  1. Prof. Huxley hat mit wunderbarer Klarheit die geistigen Schritte analysirt, durch welche ein Mensch, ebensogut wie ein Hund, zu einem, dem im Texte gegebnen analogen Schlusse gelangt, s. seinen Artikel: „Mr. Darwin’s Critics“ in der „Contemporaneous Review“, Nov. 1871, p. 462, und in seinen „Critiques and Essays“, 1873, p. 279.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/113&oldid=- (Version vom 31.7.2018)