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eines Flusses fielen. Sein Wasserhund versuchte Beide auf einmal herüberzubringen, es gelang ihm aber nicht. Trotzdem man wusste, dass er nie vorher auch nur eine Feder gekrümmt hätte, biss er die eine Ente todt, brachte die andere herüber und gieng nun zu dem todten Vogel zurück. Oberst Hutchinson erzählt, dass zwei Rebhühner auf einmal geschossen wurden, das eine wurde getödtet, das andere verwundet. Das Letztere rannte fort und wurde vom Hunde gefangen, welcher auf dem Rückwege beim todten Vogel vorbeikam. „Er blieb stehen, offenbar sehr in Verlegenheit, und nach ein- oder zweimaligem Versuchen, wobei er fand, dass er es nicht mitnehmen konnte, ohne das flügellahm geschossene entwischen zu lassen, überlegte er einen Augenblick, biss dann dieses mit einem kräftigen Ruck absichtlich todt und brachte dann beide Vögel auf einmal. Es war dies das einzige bekannte Beispiel, dass er je mit Absicht irgend welches Wildpret verletzt hätte“. Hier haben wir Verstand, wenn auch nicht durchaus vollkommenen. Denn der Hund hätte den verwundeten Vogel zuerst bringen und dann nach dem todten zurückkehren können, wie es in dem Falle mit den zwei wilden Enten geschah. Ich führe die vorstehenden Fälle an, da für sie die Gewähr zweier unabhängiger Zeugen spricht, weil in beiden Beispielen die Wasserhunde nach Ueberlegung eine von ihnen ererbte Gewohnheit durchbrachen (die, das apportirte Wild nicht zu tödten), und weil sie zeigen, wie stark die Fähigkeit der Ueberlegung gewesen sein muss, dass sie eine fixirte Gewohnheit überwand.

Ich will mit der Anführung einer Bemerkung Homboldt’s schliessen[1]. „Der Maulthiertreiber in Südamerica sagt: ,ich will Ihnen nicht das Maulthier geben, dessen Schritt am leichtesten ist, sondern la mas racional, das, welches es sich am besten überlegt‘,“ und Humboldt fügt hinzu, „dieser populäre Ausdruck, den lange Erfahrung dictirt, widerspricht der Annahme von belebten Maschinen vielleicht besser, als alle Argumente der speculativen Philosophie“. Nichtsdestoweniger leugnen selbst jetzt noch einige Schriftsteller, dass die höheren Thiere auch nur eine Spur von Verstand haben; sie versuchen, wie es scheint, durch blosse Wortklauberei[2] alle die oben angeführten Thatsachen wegzuexpliciren.


  1. Personal narrative. Vol. III, p. 106.
  2. Ich freue mich zu sehn, dass ein so scharfsinniger Denker wie Leslie Stephen da, wo er von der vermeintlich unübersteiglichen Schranke zwischen dem Geiste des Menschen und der niedern Thiere spricht (Darwinism and Divinity. Essays on Free-thinking, 1873, p. 80), das Folgende sagt: „In der That scheinen uns die aufgestellten Unterschiede auf keinem besseren Grunde zu ruhen, als eine grosse Zahl andrer metaphysischer Distinctionen, auf der Annahme nämlich, dass, weil man zwei Dingen zwei verschiedene Namen geben kann, sie deshalb auch verschiedner Natur sein müssen. Es ist schwer zu verstehen, wie Jemand, der nur irgend jemals einen Hund gehalten oder einen Elefanten gesehen hat, an dem Vermögen eines Thieres zweifeln kann, die wesentlichen Processe des Nachdenkens auszuüben“.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/115&oldid=- (Version vom 31.7.2018)