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scheinen in dieser Beziehung sich in einem mittleren Zustande zu befinden; denn als der Arzt an Bord des Beagle einige junge Enten zum Aufbewahren als zoologische Exemplare schoss, erklärte York Minster in der feierlichsten Weise: „Oh! Mr. Bynoe, viel Regen, viel Schnee, viel Blasen“, und dies war offenbar als zu befürchtende Strafe für das Verwüsten menschlicher Nahrung verstanden. So erzählt er ferner, als sein Bruder einen „wilden Mann“ getödtet habe, hätten lange Zeit Stürme geherrscht und es sei viel Regen und Schnee gefallen. Und doch konnten wir nie finden, dass die Feuerländer an das glaubten, was wir einen Gott nennen würden, oder dass sie irgendwelche religiöse Gebräuche ausübten. Jemmy Button behauptete mit gerechtfertigtem Stolze fest und sicher, dass in seinem Lande kein Teufel sei, und diese letztere Behauptung ist um so merkwürdiger, als bei den Wilden der Glaube an böse Geister bei weitem gewöhnlicher als der Glaube an gute herrscht.

Das Gefühl religiöser Ergebung ist ein in hohem Grade complicirtes, indem es aus Liebe, vollständiger Unterordnung unter ein erhabenes und mysteriöses höheres Etwas, einem starken Gefühle der Abhängigkeit[1], der Furcht, Verehrung, Dankbarkeit, Hoffnung in Bezug auf die Zukunft und vielleicht noch anderen Elementen besteht. Kein Wesen hätte eine so complicirte Gemüthserregung an sich erfahren können, bis nicht seine intellectuellen und moralischen Fähigkeiten zum mindesten auf einen mässig hohen Standpunkt entwickelt wären. Nichtsdestoweniger sehen wir eine Art Annäherung an diesen Geisteszustand in der innigen Liebe eines Hundes zu seinem Herrn, welche mit völliger Unterordnung, etwas Furcht und vielleicht noch anderen Gefühlen vergesellschaftet ist. Das Benehmen eines Hundes, wenn er nach einer Abwesenheit zu seinem Herrn zurückkehrt, und, wie ich hinzufügen kann, eines Affen bei der Rückkehr zu seinem geliebten Wärter, ist sehr weit von Dem verschieden, was diese Thiere gegen Ihresgleichen äussern. Im letzteren Falle scheinen die Freudenbezeigungen etwas geringer zu sein, und das Gefühl der Gleichheit zeigt sich in jeder Handlung. Professor Braubach[2] geht so weit, zu behaupten, dass ein Hund zu seinem Herrn wie zu einem Gott aufblickt.


  1. s. auch einen guten Aufsatz über die psychischen Elemente der Religion von L. Owen Pike in: Anthropolog. Review, Apr. 1870, p. LXIII.
  2. Religion, Moral u. s. w. der Darwin’schen Art-Lehre. 1869. S. 53. Es wird angegeben (Dr. W. Lauder Lindsay, in: Journal of Mental Science, 1871, p. 43), dass vor langer Zeit schon Bacon und auch der Dichter Burns derselben Meinung gewesen seien.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/137&oldid=- (Version vom 31.7.2018)