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liebkoste ihn und führte ihn triumphirend weg; — die Hunde waren zu sehr erstaunt, um ihn anzugreifen. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, noch eine andere Scene mitzutheilen, welcher derselbe Naturforscher als Zeuge beiwohnte. Ein Adler ergriff einen jungen Cercopithecus, konnte ihn aber, da sich jener an einen Zweig klammerte, nicht sofort wegschleppen. Der Affe schrie laut um Hülfe, worauf die anderen Thiere der Truppe mit vielem Gebrüll zum Entsatz herbeieilten, den Adler umringten und ihm so viel Federn ausrissen, dass er nicht länger an seine Beute dachte, sondern nur daran, wie er wegkäme. Dieser Adler, bemerkt Brehm, wird sicher niemals wieder einen einzelnen Affen in einer Truppe angreifen.[1]

Es ist gewiss, dass in Gesellschaft lebende Thiere ein Gefühl der Liebe zu einander haben, welches erwachsene nicht sociale Thiere nicht fühlen. Wie weit sie in den meisten Fällen thatsächlich mit den Schmerzen und Freuden der Anderen sympathisiren, ist besonders mit Rücksicht auf die letzteren zweifelhafter. Doch gibt Mr. Buxton, welcher ausgezeichnete Gelegenheit zur Beobachtung hatte,[2] an, dass seine Macaws, welche in Norfolk frei lebten, ein „extravagantes Interesse“ an einem Paare mit einem Neste nahmen; so oft das Weibchen dasselbe verliess, wurde es von einer Schaar anderer umringt, welche „zu seiner Ehre ein fürchterliches Geschrei erhoben“. Es ist oft schwer zu entscheiden, ob Thiere Gefühl für die Leiden anderer haben. Aber wer kann sagen, was Kühe fühlen, wenn sie um einen sterbenden oder todten Genossen herumstehen und ihn anstarren? Allem Anschein nach fühlen sie indessen, wie Houzeau bemerkt, kein Mitleid. Dass Thiere zuweilen weit davon entfernt sind, irgendwelche Sympathie zu zeigen, ist nur zu sicher; denn sie treiben ein verwundetes Thier aus der Heerde oder stossen und plagen es zu Tode. Dies dürfte beinahe der schwärzeste Punkt in der Naturgeschichte sein, wenn nicht die dafür aufgestellte Erklärung richtig ist, wonach der Instinct oder Verstand der Thiere sie dazu antreibt, einen verwundeten Genossen auszustossen,


  1. Mr. Belt führt den Fall an, wo ein Affe, ein Ateles, in Nicaragua bald zwei Stunden lang in dem Walde schreien gehört wurde und man einen Adler dicht bei ihm auf dem Zweige sitzen fand. Der Vogel fürchtete offenbar ihn anzugreifen, solange er ihm Aug' in Auge da sass. Nach dem was Belt von der Lebensweise dieser Affen gesehen hat, glaubt er, dass sie sich gegen die Angriffe der Adler dadurch schützen, dass zwei oder drei zusammenhalten. The Naturalist in Nicaragua, 1874, p. 118.
  2. Annals and Magaz. of Natural History. 1868. Novbr. p. 382.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/145&oldid=- (Version vom 31.7.2018)