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Hundearten, wie ich selbst erfahren habe, Füchse vollständig unbeachtet lassen. Welches starke Gefühl innerer Befriedigung muss einen Vogel, ein Thier von so viel innerem Leben, dazu treiben, Tag für Tag über seinen Eiern zu sitzen! Zugvögel sind unglücklich, wenn man sie am Wandern hindert, und vielleicht freuen sie sich der Abreise zu ihrem langen Fluge; es lässt sich aber kaum glauben, dass die arme flügellahme Gans, von der Audubon erzählt, welche rechtzeitig zu Fuss ihre lange Wanderung von wahrscheinlich mehr als tausend Meilen antrat, irgend eine Freude dabei empfunden habe. Einige Instincte werden nur durch schmerzliche Gefühle bestimmt, so durch die Furcht, welche zur Selbsterhaltung führt und sich in manchen Fällen auf specielle Feinde bezieht. Ich vermuthe, dass wohl Niemand die Empfindungen des Vergnügens oder des Schmerzes analysiren kann. Es ist indessen in vielen Fällen wahrscheinlich, dass Instincten durch die blose Kraft der Vererbung ohne das Reizmittel weder von Vergnügen noch Schmerz gefolgt wird. Ein junger Vorstehhund kann, wenn er zuerst Wild wittert, scheinbar nicht anders, als er muss stehen; ein Eichhorn in einem Käfig, welches die Nüsse, die es nicht essen kann, bekratzt als wenn es dieselben im Boden vergraben wollte, wird kaum so angesehen werden können, als handle es dabei entweder aus Vergnügen oder aus Schmerz. Die gewöhnliche Annahme, dass die Menschen zu jeder Handlung dadurch angetrieben werden müssten, dass sie irgend ein Vergnügen oder einen Schmerz dabei erfahren, dürfte daher irrig sein. Wird auch einer Gewohnheit blind und ohne weitere Ueberlegung und unabhängig von irgend einem im Augenblick gefühlten Vergnügen oder Schmerz nachgegeben, so wird doch, wenn sie zwangsweise und plötzlich aufgehalten werden würde, ein unbestimmtes Gefühl des Unbefriedigtseins allgemein empfunden werden.

Es ist oft angenommen worden, dass die Thiere an erster Stelle gesellig gemacht wurden, und dass sie als Folge hiervon sich ungemüthlich fühlten, wenn sie von einander getrennt wurden, und gemüthlich, so lange sie zusammen waren. Eine wahrscheinlichere Ansicht ist aber die, dass diese Empfindungen zuerst entwickelt wurden, damit diejenigen Thiere, welche durch das Leben in Gesellschaft Nutzen hätten, veranlasst würden, zusammen zu leben, in derselben Weise, wie das Gefühl des Hungers und das Vergnügen am Essen ohne Zweifel zuerst erlangt wurden, um die Thiere zum Essen zu veranlassen. Das Gefühl des Vergnügens an Gesellschaft ist wahrscheinlich eine Erweiterung der


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/149&oldid=- (Version vom 31.7.2018)