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niedrigsten, kleinsten und wenigst intelligenten Formen der placentalen Säugethiere ist“. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen ist es wahrscheinlich, dass die Simiaden sich ursprünglich aus den Vorfahren der jetzt noch lebenden Lemuriden entwickelt haben und diese wiederum aus Formen, welche in der Reihe der Säugethiere sehr tief standen.

Die Beutelthiere stehen in vielen bedeutungsvollen Merkmalen unterhalb der placentalen Säugethiere. Sie erscheinen in einer früheren geologischen Periode und ihr Verbreitungsbezirk war früher ein viel ausgedehnterer, als sich derselbe jetzt darstellt. Es wird daher allgemein angenommen, dass die Placentalen sich von den Implacentalen oder den Beutelthieren heraus entwickelt haben, indessen nicht etwa von Formen, welche den jetzt existirenden Marsupialien sehr gleichen, sondern von deren frühen Urerzeugern. Die Monotremen sind ganz offenbar mit den Marsupialien verwandt, sie bilden eine dritte und noch niedrigere Abtheilung in der grossen Reihe der Säugethiere. Heutigen Tages werden sie nur von dem Ornithorhynchus und der Echidna repräsentirt, und man kann diese beiden Formen ganz getrost als Ueberbleibsel einer bedeutend grösseren Gruppe betrachten, welche in Folge des Zusammentreffens besonders günstiger Umstände in Australien erhalten worden sind. Die Monotremen sind ganz ausserordentlich interessant, da sie in mehreren bedeutungsvollen Punkten ihres Körperbaus nach der Classe der Reptilien hinführen.

Wenn wir den Versuch machen, die Genealogie der Säugethiere und daher auch des Menschen noch weiter abwärts in der Thierreihe zu verfolgen, so kommen wir auf immer dunklere und dunklere Gebiete der Wissenschaft; wie aber ein äusserst fähiger Forscher, Mr. Parker, bemerkt hat, haben wir guten Grund anzunehmen, dass kein echter Vogel oder kein echtes Reptil in die Descendenzreihe eintritt. Wer hier zu erfahren wünscht, was Scharfsinn und Kenntnisse hervorbringen können, mag die Schriften Professor Häckel’s zu Rathe ziehen.[1]


  1. Ausgeführte Tabellen sind mitgetheilt in seiner „Generellen Morphologie“. Bd. 2, S. CLIII und S. 425, und mit speciellerer Beziehung auf den Menschen in seiner „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ 1874. Bei der kritischen Anzeige des letzteren Werkes in The Academy, 1869, p. 42 sagt Prof. Huxley, dass er das Phylum oder die Descendenzlinien der Vertebraten für ausgezeichnet von Häckel erörtert hält, wenngleich er von ihm in einigen Punkten abweicht. Er drückt auch seine hohe Werthschätzung der allgemeinen Haltung und des Geistes des ganzen Werkes aus.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/218&oldid=- (Version vom 31.7.2018)